An der dunklen Westküste
- Christina Otto
- 9. Juli 2011
- 8 Min. Lesezeit




















In Nelson hatte ich nun also die Auswahl zwischen geschätzten 100 Werkstätten und ich such mir grade die Prüfstelle von der AA (so was wie ADAC) aus, was so ziemlich dasselbe ist, wie wenn man bei uns direkt zum TÜV geht, wo man auch schlechtere Chancen hat. Aber gut, Auto geparkt, reingegangen und da wurde ich gleich gefragt, ob die hinteren Gurte denn trotz Bett noch funktionieren, das müsste kontrolliert werden…bitte??? Ich will doch das Bett nicht anschnallen, wofür brauch ich dann hinten Sicherheitsgurte??? Naja, sie hat dann nen Mechaniker geholt, der gesehen hat, dass keine Sitze mehr vorhanden sind, also war das ok. Da hat er die Joy gleich mitgenommen, ich bin rein, hab bezahlt und hab mich grad mit einer Zeitung hingesetzt, als keine 5Minuten später ein Mechaniker mit meinem Autoschlüssel vor mir stand. Fertig! Er hat mir nur gesagt, dass der Motor quietscht, weiß ich selbst, und das ich den Ölstand im Auge behalten soll. Dass irgendwas mit der Lenkung nicht stimmt und dass die Reifen auch nicht mehr die Besten sind, hat die gar nicht interessiert. Und da hab ich mich verrückt gemacht…tzzz! Das war wohl der Ausgleich dazu, dass mein Corsa in Deutschland so viel Zeit und Geld gebraucht hat, um durch den TÜV zu kommen.
Nach ein bisschen Sightseeing in Nelson gings dann aus der Stadt raus, als ich plötzlich eine deutsche Flagge wehen sah und ein Biergarten-Schild vom Hofbräu. Da hab ich tatsächlich das erste deutsche Restaurant gefunden. Natürlich konnt ich das nicht einfach unbeachtet lassen, also hab ich mir die Zeit mit Reiseplanung vertrieben und bin dann abends dort essen gegangen. Hätt ichs bloß mal gelassen. Ein kleines, ungemütliches Restaurant mit zwei München-Postern und bayrischen Gardinen. Die Speisekarte sah gut aus, allerdings waren die Kässpätzle die falsche Wahl. Das lange Warten war also umsonst. Übernachtet hab ich einige Orte weiter am Strand von Motueka, wo ich abends noch beobachten konnte, wie es bei sternenklarem Himmel ständig geblitzt hat, komische Sache.
Nachdem ich dann nun endlich mal wieder eine Nacht ungestört schlafen konnte, gings von Motueka weiter Richtung Abel Tasman National Park. Schon der Weg dahin war atemberaubend. Der Blick auf die schneebedeckten Alpen und die raue Tasmanische See, die außergewöhnlichen Gesteinsformen und die vielen Regenbögen, das extrem wechselhafte Wetter und die kurvigen Bergstraßen… Wahnsinn! Stellenweise konnte man auch überhaupt nichts von alledem sehen, da man in den Regenwolken unterwegs war. Öfters bin ich auch mitten auf der Straße stehen geblieben (ich war dort eh wieder alleine), da der Regen so stark war, dass die Scheibenwischer nichts ausrichten konnten und das Wasser schon cm hoch auf der Straße stand. Ich wusste ja schon, dass ich gerade in einem der regenreichsten Gebiete der Welt unterwegs bin, aber mit solchen sintflutartigen Regenfällen hab ich nicht gerechnet. Irgendwann war ich mal an den Pupu Springs, der größten Quelle Australasiens und dem saubersten Wasser der Welt. Bei nur Nieselregen konnte ich dann auch mal den Rundweg machen. Man durfte das Wasser aber noch nicht mal anfassen, geschweige denn die Trinkwasservorräte aufstocken. Dann gings wieder im strömenden Regen durch den National Park, bis nach Totaranui, wo ein DoC Campground war mit 850 Stellplätzen. Im Sommer muss man den buchen, da er meist total überfüllt ist! Man bin ich froh, dass ich im Winter reise, da ist mir das schlechte Wetter noch lieber, als tausende Camper. Da war der Campingplatz leer, allerdings waren auch die Duschen geschlossen, deswegen hab ich mich doch für wildcampen entschieden. Es gab eine Tsunamiewarnung für Neuseeland, also wollt ich mich eigentlich nicht ans Meer stellen, allerdings war es da so schön. Und wildcampen war so leicht, überall waren Plätze ohne Verbotsschilder, also hab ich mich dann an die Klippen gestellt, da hätte schon ne 10m hohe Welle kommen müssen. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit hat es auch tatsächlich nochmal aufgehört zu regnen, sodass ich wenigstens kochen konnte. Gesellschaft bekam ich dann auch noch, von einem Hund, der scheinbar nichts Besseres zu tun hatte, als sich von mir streicheln zu lassen. Irgendwann gegen sieben ging es dann los… Regen, als stände man direkt unter einem Wasserfall, ein Blitz und bald darauf ein Donnern, sodass man denken konnte, ein Erdbeben. Alles hat vibriert, so was hab ich noch nicht erlebt! Dann ein weiterer Blitz und gleich darauf wieder ein so heftiges Donnern. Beim dritten Blitz war das Gewitter nun direkt über mir. Dann verwandelte sich das Donnern in ein durchgängiges Grollen und die Blitze kamen im Sekundentakt. Normalerweise mag ich Gewitter, aber ein so heftiges Gewitter hab ich noch nie erlebt und das war so allein im Auto doch recht grenzwärtig. Aber so schnell, wie es gekommen ist, war es auch wieder weg. Allerdings kam 10 Minuten später das nächste, derselbe Ablauf und genauso schnell wieder verschwunden. Und eine weitere halbe Stunde später kam ein drittes Gewitter. Obs danach noch weiter ging, weiß ich nicht, hab zumindest fest geschlafen.
Die Nacht war wieder sau kalt, die Fenster am Morgen wieder gefroren, für die Türen brauchte ich wieder Gewalt, um sie zu öffnen und das Auto sprang auch erst wieder nach dem 10.Versuch an. Aber nun schien die Sonne und ich machte noch vor dem Frühstück einen Strandspaziergang zwischen gelben Ginster und goldenem Sand. Als ich dann mal losgefahren war, war ich etwas verwundert, was bald für ein Geräusch zu hören war, als hätte ich etwas vom Auto verloren. Nach zwei km fiel es mir dann auch wieder ein…ich hatte mein Thermometer auf Auto gelegt. Also bin ich zurück, habs aber auch noch gefunden, zwar etwas beschädigt, aber funktioniert noch.
Dann bin ich den Weg vom Vortag wieder zurück, wo alles gleich schon viel freundlicher aussah bei Sonnenschein. An einem Küstenabschnitt sollte es Pinguine geben, also hab ich ne halbe Ewigkeit damit verbracht, die zu suchen, bis mir dann mal ein Schild begegnete, dass man die nur mit viel Glück nachts zu sehen bekommt.
Die Bergstraße war nun auch besser zu genießen, bei fast wolkenfreier Sicht. Allerdings war schon der nächste Regen in Sicht. Zu allem Überfluss hatte es die Nacht über schon ordentlich weit runter geschneit. Nicht sehr beruhigend, da ich in den nächsten Wochen noch viel höher will mit meinen schlechten Sommerreifen. Und man musste noch ständig aufpassen, weil die Straßen stellenweise noch gefroren waren oder so viel Split gestreut war, das man auch da ganz gut ins Rutschen kam. Ich bin dann also gefahren und gefahren und gefahren, was an die 300km. Die Entfernungen hier sind unglaublich schwer einzuschätzen, man hat hier wesentlich mehr Straßen, wo man manchmal 15km weit ohne eine Kurve fährt. Man hat hier wieder viele Gegenden, wo kilometerweit kein Haus steht. Und hier hat man sogar so viel Einsamkeit, dass man manchmal noch nicht mal Schafe sieht.
Es hatte sich dann wieder ordentlich zugezogen und der Regen setzte wieder ein. Was man hier auch beobachten kann, es beginnt von einer Sekunde auf die nächste ganz heftig zu regnen und hört auch genauso abrupt wieder auf. Ich bin dann trotzdem zu den Nelson Lakes, die wahrscheinlich bei Sonnenschein traumhaft schön sind, nun waren die schönen Berge unter den Wolken nur zu erahnen. Es wechselte nun mittlerweile auch in Schneeregen und die Wettervorhersage, dass es bis 300m schneien soll, machte mir Angst.
Nachdem ich am zweiten See war, wollte ich von dort eine Abkürzung nehmen, eine Gravel Road mit der Warnung, dass keine Wohnmobile oder kleine Autos drauf durften??? Hab ja kein kleines Auto, also hab ichs versucht. Es war eine einzige Schlammpiste und große Herausforderung sich nicht ständig festzufahren. Allerdings kam nach fünf km ein Fluss, der so hoch war, dass er mich definitiv mitgerissen hätte. Also musste ich mich dann doch wieder umdrehen.
Als es schon bald dunkel wurde war ich dann am Buller Gorge und bin ganz schnell noch bei strömenden Regen über die längste Hängebrücke Neuseelands gelaufen, 110m lang und ganz schön wackelig. Danach hab ich mir im dunklen noch einen Schlafplatz gesucht. Auch hier ist es wieder total einfach, irgendwo was zu finden, wo keine Verbotsschilder sind. Allerdings sind auch jede Menge DoC Plätze direkt an der Straße, sodass ich mich diesmal dafür entschieden hab. Es regnete die meiste Zeit, der Wind ruckelte am Auto und es blitzte den ganzen Abend, allerdings hatte ich diesmal kein Gewitter direkt über mir. Ich war wieder mit meiner Reiseplanung beschäftigt, muss ja jetzt alles etwas schneller gehen.
Heute Morgen ging es nun weiter nach Westport, wo ich mir eigentlich ein McDonalds erhofft hatte, wegen Internet, gab aber keins, also bin ich gleich weiter zum Cape Foulwind, bei strömenden Regen und saumäßigen Wind ganz schnell zum Lighthouse gerannt, kurz die herrliche Landschaft genossen und weiter gefahren zur Robbenkolonie…absoluter Reinfall! Man konnte von oben ein paar Robben beobachten, allerdings waren die am Cape Palliser neulich viel näher. Dann gings wieder Richtung Highway, die Tanknadel war wiedermal im roten Bereich, hab mir aber gedacht, ich tanke irgendwo auf dem Weg nach Greymouth…falsch gedacht. Da stand ein Schild, dass die nächsten 90km keine Tankstelle mehr kommt. Also bin ich die 10km wieder zurück nach Westport gefahren, hab getankt und einen neuen Anlauf nach Greymouth gestartet. Die Straße führte meist direkt an der Küste entlang. Übrigens unter den Top 10 der weltweit schönsten Routen. Und für mich war dieser Küstenabschnitt eindeutig auf Platz 1! Es war unglaublich! Trotz des strömenden Regens und des enorm starken Windes. Links hatte man den Regenwald und rechts die wilde Küstenlandschaft der rauen tasmanischen See. So unglaublich, atemberaubend schön…gar nicht in Worte zu fassen! Ich musste so oft anhalten, dass ich noch nicht mal die Hälfte von dem geschafft hab, was ich eigentlich für heute geplant hatte.
Der nächste geplante Stopp waren die Pancake Rocks. Nein, erst war ich kurz vorher noch in der Punakaiki Cave unterwegs, da kam meine neue Stirnlampe endlich mal zum Einsatz. Danach gings aber zu den Pfannkuchen…Selbst an diesem Touristenmagnet war ich mal wieder alleine unterwegs. Eigentlich nur ein kurzer Weg, allerdings war es so atemberaubend, dass ich bald ne Stunde dort unterwegs war. Nach einer Minute war ich sowieso bis auf die Knochen durchnässt, also machte der restliche Regen auch nix mehr. Man kann es nicht beschreiben. Auf Bildern sieht es toll aus, aber wenn man davor steht, ist es gigantisch! Wahnsinn! Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll… Leute, fahrt nach Neuseeland!!! Es ist unbeschreiblich schön!
Danach gings weiter an der Küste entlang, die Hände fest am Lenkrad, um dem Wind zu trotzen, Queen in voller Lautstärke, da konnte mich auch der Regen mal gern haben, kein Auto auf der Straße und ein scheinbar unendlich gerader Highway… das ist es! Das ist Freiheit! Das ist mein Neuseelandtrip! Hält mal jemand die Zeit an? Das soll nie vorbei gehen!
In Greymouth angekommen, gabs auch nicht viel zu sehen, also gings weiter bis Hokitika. Sah ziemlich wie eine Geisterstadt aus, aber schön. Auch hier war mehr los, als die Goldgräber noch da waren. Es gibt noch einige schöne alte Gebäude hier. Dann war ich am Sunsetpoint, wo man eigentlich einen tollen Blick aufs Meer hat, allerdings hat man nur schwarzes Meer und schwarze Wolken gesehen. Ich bin dann mal ein paar Meter gelaufen, da es gerade nur genieselt hat, als plötzlich ein solch starker Sturm kam, wie ich ihn noch nie erlebt hab. Also das neuseeländische Wetter überbietet sich immer wieder selbst. Das war aber eine äußerst schmerzhafte Erfahrung, da sich die Regentropfen zusammen mit dem Sand zu regelrechten Wurfgeschossen entwickelt haben. Wegrennen konnte ich nicht wirklich, da der Wind so stark war, dass ich mich kaum aufrecht halten konnte und die Augen konnt ich kaum offen halten, da ich schon genug Sand drin hatte. Als ich nach unendlich schmerzhaften Minuten endlich wieder am Auto war, war meine komplette rechte Hälfte mit schwarzem Sand bedeckt, selbst die Hosentaschen waren voll damit, die Jacke saudreckig, die Kamera hat auch ordentlich was abgegriegt und die rechte Hälfte meines Gesichts ist auch jetzt noch feuerrot, nachdem ich den Sand abgewaschen hatte. Joy hat auch schön was abgegriegt, ihre linke Seite ist komplett schwarz, man kann nicht mal mehr zum Fenster rausgucken. Nun, eine Stunde nach diesem Sturm, ist grad blauer Himmel, immer noch Sturm, aber blauer Himmel und rechts daneben geht gerade ordentlich Regen nieder und links neben mir kann ich ein Gewitter beobachten. Unglaublich, was das Wetter hier bereithält. Und nun…bin ich gerade geflüchtet. Ich zitter jetzt noch. Ich stand ja nun noch am Strand, aber eigentlich auf nem etwas erhöhten Bereich. Ich hab grad vom Laptop hochgeguckt und noch die riesige Welle gesehen, als ich sie auch schon auf der Motorhaube hatte. Ahh!!! So schnell hatte ich noch nie den Rückwärtsgang drin! Hinter mir war die ganze Straße überflutet, die andern beiden Autos haben auch schon Vollgas gegeben. Wahnsinn! Jetzt bin ich wieder in die Stadt geflüchtet, wo erstmal ne Minute Stromausfall war und jetzt die Sirene loslegt. War das jetzt nen Tsunamie oder sind solche Stürme normal? Kann kaum tippen, so zitter ich. Hammer! So nun will ich aber mal versuchen, ob ich den Blog hier online grieg. Morgen stehen eigentlich die Gletscher an, mal sehn, ob ich das schaffe, die Entfernungen hier sind wirklich leicht zu unterschätzen.
Zitter, zitter!
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