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Out of Range…

Ich habs gefunden! Das richtige Australien, so, wie ichs mir vorgestellt hab. Ich hab mein Herz an dieses Land verloren. Neuseeland?...Wo war das gleich nochmal? Hier ist es tausend Mal besser! Da kann ich jetzt schon sagen: ich komme wiede

r, irgendwann, es gibt noch so viel hier zu sehen, ich kann gar nicht alles auf einmal haben.

Die Sonne hat nun gewonnen, es waren gestern über 42°C und es kam nur heiße Luft von draußen rein, also hab ich am Nachmittag dann doch die Klimaanlage eingeschaltet und abends war ich sogar so verschwenderisch, dass ich den Motor nochmal angestellt hab, in der Hoffnung, ich könnte mir ein bisschen Abkühlung verschaffen, vergeblich. Es war windstill, sodass auch die offenen Fenster nichts nützten und ich nun schon zwei schlaflose Nächte hinter mir hab. Bei geschätzten 30°C oder mehr lieg ich stundenlang regungslos im Bett und hoffe vergeblich auf einen Hauch von Wind. Auch später in der Nacht kühlt es nicht ab. Schlafsack und Decke sind jetzt also erstmal von der Bildfläche verschwunden. An manchen Abenden hat es sich ja mit Regenwolken zugezogen, was ein klein wenig Abkühlung verschaffte, für kurze Zeit, aber man braucht hier nicht zu denken, dass aus den dicken schwarzen Wolken mehr als zwei Tropfen am Boden ankommen. Fürs Wochenende sind 48°C gemeldet, verdammt, wie soll ich das nur aushalten? Kein Wunder, dass es hier fast nur noch Geisterstädte gibt, hier überlebt ja nix. Das ist echt ein äußerst menschenfeindlicher Kontinent. Und meinen ersten Tornado hab ich auch gesehen. Also hier heißen sie ja Willie´s, die kleineren Versionen. Er ist allerdings in die falsche Richtung gesaust, sodass ich nicht mal nen Foto machen konnte, aber die werd ich wohl noch öfters sehen.

Die Straßen hier sind riiiiichtig beschissen. Hier baut man nämlich keine Brücken, sondern es geht einfach durch den Fluss durch und hier gibt’s verdammt viele Flüsse, allerdings momentan alle ausgetrocknet, sodass es ordentlich scheppert, wenn man sich durchs Flussbett kämpfen muss. Wenn dann doch mal ne Pfütze übriggeblieben ist, hat Nemo wenigstens mal ne kleine Abkühlung gegriegt und der blöde Staub ist danach noch besser haften geblieben. Ob irgendwer hinter mir ist, kann ich auch nicht mehr sehen, die Staubwolke wird immer größer, es ist alles ausgetrocknet. Allerdings hab ich die Straßen eh fast für mich allein. Ein paar Road Trains sind noch unterwegs und wenn mir alle 100km mal wer begegnet, dann sinds nur Geländewagen, hier fall ich also nicht mehr so auf, wie in den Städten.

Mein frühes Aufbrechen hat den Nachteil, dass ich ständig Bremsen muss, weil die Straßen noch voller Emus, Kängurus, Ziegen oder Kamelen ist… ja, richtig, es gibt’s jetzt noch ne neue Tierart, bei der ich allerdings nicht ausprobieren will, ob die auf meinen Kängurufänger passen. Allerdings sind die großen Tiere für mich nicht so gefährlich, wie die kleinen. Normalerweise kurbel ich schnell das Fenster hoch, wenn ich seh, dass die Straße wieder braun ist. Aber einmal hab ichs nicht rechtzeitig gesehen und schon hatte ich drei riesige Heuschrecken auf dem Schoß sitzen. Also…losgeschrien, ohne kuppeln Gang raus und schnell nochmal auf die Bremse, noch aus dem rollenden Auto gesprungen und rumgezappelt. Nachdem ich mich bisschen beruhigt hab, bin ich dem Auto hinterher, was zum Glück die Spur gehalten hat und hab 20Minuten gebraucht, um die drei Viecher aus irgendwelchen Winkeln im Auto rauszugriegen. Die Ameisen sind hier ja wie gesagt auch massenhaft vertreten. Ich glaub die haben hier 20 verschiedene Ameisenarten. Die kleinen sind hier total hyperaktiv, die sind so blitzschnell. Und dann gibt’s noch große, mit nem riiiiiesigen Kopf, die sehen richtig gefährlich aus. Aber die schlimmsten sind die roten, auch ziemlich groß, mit nem nicht ganz so riesigem, rotem Kopf und die sind richtig aggressiv. Da achtet man extra drauf, dass nirgends welche sind und keine Minute später, wimmelt es nur so davon. Die sind auch blitzschnell und man hat sofort 10 Stück auf den Füßen sitzen und dann beißen die zu, oder was auch immer. Tut jedenfalls weh und die lassen nicht mehr los, schütteln hilft nix, die muss man einzeln wegschnippen. Und ein komisches, widerliches, schwarzes, fettes, käferähnliches Viech hat mir in einer Nacht 12 große Löcher in mein Moskitonetz am Auto gefressen, so ein Mist!

Momentan ist es auch äußerst widerlich, dass man schon meterweit vorher riecht, dass wieder ein überfahrenes Tier am Straßenrand liegt. Die sind meist schon so verwest und ausgetrocknet, dass es höllisch stinkt. Aber die vielen geplatzten Reifen am Straßenrand machen mir mehr Angst. Und jetzt erst realisier ich, dass ich das doch bisschen unterschätzt hab. Wenn mir bei über 40°C mitten in der Wüste nen Reifen platzt, steh ich erstmal doof da. Und ich hab mich immer noch nicht damit beschäftigt, wo überhaupt mein Wagenheber ist. Und natürlich würden die hilfsbereiten Australier sofort anhalten, wenn allerdings nur alle paar Stunden mal nen Auto dort entlangfährt, nützt mir das auch nix. Aber mal abwarten, vielleicht hab ich ja doch das Glück, dass mir keiner platzt.

Oh, wird schonwieder länger…

Aber jetzt mal die eigentlichen Geschehnisse der letzten Tage…

Ich bin dann am Mittwoch weiter Richtung Hawker, hab die Nacht in ner Schlucht verbracht, direkt im Flussbett, hatte ja nicht das Gefühlt, dass der Fluss so bald zurückkommt. Am nächsten Morgen gings nach ner schönen kalten Dusche, jetzt genieße ich es, dass das Wasser eh kalt ist, in die Stadt rein, wo ich mich dann soweit fürs Outback rüsten wollte, nochmal einkaufen, volltanken, Post wegbringen, Passbilder brauchte ich auch noch… pah! Die hatten nur nen kleinen Tante-Emma-Laden und ne Zapfsäule. Da hab ich mich wohl voll angeschissen. Aufs Einkaufen hab ich dann gänzlich verzichtet, bisschen was hab ich ja noch, die Post wird dort nur zweimal die Woche abgeholt, Passbildautomat gabs logischerweise auch nicht und ums Tanken kam ich nun nicht drum herum, war nämlich mal wieder weeeit unter Reserve. Den letzten Tank hab ich noch gefüllt für 1,32$ pro Liter, nun musste ich 1,67$ pro Liter zahlen, wow, is ja fast so teuer, wie zuhause. Aber wie ich gehört hab, solls auch noch teurer werden, ja weiter man reinfährt und man hat ja hier keine Auswahl, man muss ja froh sein, wenn man mal aller paar 100km ne Zapfsäule findet.

Die Siesta hab ich wieder in ner Bücherei verbracht, umgeben von 20 kleinen, schreienden Schulkindern und danach gings weiter Richtung Flinders Range. Eine wahnsinnig atemberaubend schöne Bergkette mitten in der Wüste. Jede Menge guter Wanderungen, allerdings ist mir bei der knallend heißen Sonne die Lust auf Bewegung ziemlich vergangen. Bei einer Aborigine- Stätte hab ich dann nicht die Felsmalereien betrachtet, da mir ne Stunde Wanderung zu viel waren, aber es war ein guter Platz, um allein unter Emus das Nachtlager aufzuschlagen. Am nächsten Morgen wollte ich gleich um sieben die Wanderung starten…zu spät, die Sonne hat schon gebrannt, wie Feuer. Also bin ich weiter, in den National Park, und hab bei Fahrtwind vom Auto aus den tollen Anblick genossen. Über schlechte Schotterpisten gings ausnahmsweise mal kurvig vorbei an diversen Look Outs, durch Schluchten und Flüsse, über Berg und Tal. Traumhaft, echt! Allerdings war ich bis mittags damit durch. Man kann sicher auch länger dort verbringen, vorausgesetzt das Wetter würde sich zum Wandern eignen.

Im „Glas Gorge“ hab ich dann meine Siesta verbracht und hab mich gefragt, warum das die „Glasschlucht“ ist, ich konnte nur eines meiner Gläser hinten zerbrechen hören, als bei den vielen holprigen Flussdurchquerungen mal wieder alles durch die Gegend flog. Danach gings noch 100km weiter, mit Klimaanlage, an einen Damm. Da war nun soooo viel Wasser und es war verboten drin zu schwimmen  Aber zumindest gabs nen Wasserhahn mit schönem kaltem Wasser zum Abkühlen. Hatte ja gedacht, ich tu mir was Gutes mit ner ganz kurzen Hose…nö, nun hab ich nen Sonnenbrand auf dem rechten Oberschenkel vom Autofahren. Genauso ist mein rechter Arm viel brauner, als der linke, vom Autofahren, ich hab drei verschiedene Tshirtlängen auf dem Oberarm und drei verschiedene Hosenlängen an den Beinen. Ich bin äußerst ungleichmäßig braun, wie soll ich das bloß wieder richten?

Die Entfernungen hier sind echt so gigantisch! Kaum war ich aus den Bergen raus, erstreckt sich jetzt wieder über hunderte Kilometer flache Wüste. Zwischendurch mal ein paar Ruinen von Dörfern, die zu Grunde gingen und sonst nichts. Das ist, wie wenn man von Dankmarshausen nach Kassel fahren würde, 103km, nur das hier nicht eine einzige kleine Biegung in der Straße ist, kein einziges Haus und keine Menschenseele, nix. Auf dem Weg nach Kassel geht’s über, keine Ahnung, dreißig Orte, vorbei an 50 Tankstellen (und trotzdem kann man auf der Autobahn ohne Sprit liegenbleiben), zusammen mit hundert anderen Autos.

Und hier ist es leise geworden, es gibt keinen Radioempfang mehr. Ab und zu grieg ich mal wieder für zehn Sekunden den Opernsender rein (wie machen die das bloß? Das is wie bei uns, wenn man keinen Sender empfängt, Deutschland Radio Kultur gibt’s überall. Den größten Mist können die immer senden), aber sonst ist es still. Mein Mp3 Player hat längst den Geist aufgegeben und ich denk nie dran, ihn aufzuladen, und mein eigenes Gesinge ging mir auch irgendwann auf die Nerven. Aber bei immer geradeausfahren hab ich zumindest genug Zeit, in Ruhe die Gegend anzugucken, während der Fahrt Fotos zu machen und schön die Beine (zumindest eins) hochzulegen. Handyempfang gibt’s es auch nicht mehr, nicht mit der Vodafonekarte, und auch nicht mit Telstra. In manchen Orten stehen dann mal große Sendemasten, bei denen man mal Glück hat, wenn man sich nicht zu weit davon entfernt. Die Möglichkeit ins Internet zu kommen ist auch immer begrenzter. Aber dafür bin ich ja hier, um in der Abgeschiedenheit des Outbacks klarzukommen.

Die Nacht hab ich bei schrecklicher Hitze am Highway verbracht. Wildcampen ist jetzt wirklich einfach, hier ists so verlassen, dass das eh keinen interessiert. Hier beobachte ich jetzt nicht nur den Sternenhimmel, sondern halte auch Ausschau nach Ufos, die sollen hier im Outback wohl öfters mal vorbeikommen. Einige dieser Geisterstädtchen dienten auch schon Hollywood, bei der Kulisse ja ganz gut geeignet. Und heute Morgen wurde ich bereits um halb sechs geweckt, vom Coal Train, ein kilometerlanger Güterzug, der ab und zu mal hier entlangschleicht. Der war sooooo lang, wollt gar nicht mehr aufhören.

So, also, falls ihr jetzt nicht so schnell wieder von mir hört, bin ich weiterhin irgendwo in der Pampa unterwegs und out of Range.

 

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