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Wer hat an der Uhr gedreht?


Irgendwer klaut mir hier die Zeit. Nun bin ich schon über neun Monate unterwegs, kam mir lang vor, vergeht aber so schnell. In vier Monaten und ein paar Tagen bin ich schon wieder zuhause und hab bis dahin noch neun andere Länder gesehen. Momentan will ich am liebsten gar nicht weiter, weil der Tag immer näher rückt, an dem ich meinen geliebten Nemo verkaufen muss. Ich genieße nun noch die letzten Nächte unter Sternenhimmel das schöne Camperleben. Ich hab nun einen Job gefunden auf einer kleinen Farm in der Nähe von Perth, wo ich bereits in weniger als zwei Wochen starten kann. Ich freu mich riesig die Hitze mal in nem kühlen Haus zu verbringen, endlich mal wieder Bewegung und Arbeit zu haben, endlich wieder gesund essen zu können und auch darauf mal wieder länger auf einem Fleck zu bleiben. Aber damit ist auch ein Teil meines Abenteuers Australien schonwieder zu Ende. Aber es geht ja in Asien weiter. Manchmal hab ich schon nen richtiges Bauchkribbeln, wenn ich nur dran denke. Da gibt’s wieder richtig viel Geschichtliches zu entdecken, uralte Gebäude, Kultur, Essen, usw. und erst die Natur… ach, wird das toll. Auf China konnte ich mich nicht recht freuen, Shanghai, Hongkong usw. sind doch nicht so das wahre für mich Landei. Also hab ich nun nochmal um geplant und mir jetzt ne Route durch die Mitte gesucht, an der Grenze zu Tibet entlang, mit nem super Blick auf jede Menge 7000er, mit nem Besuch von nem tibetischen Kloster auf 2000m Höhe, nem Shaolin Kloster, usw. Da bin ich nun auch schon wieder ganz aufgeregt. Klingt besser, als nur moderne Millionenmetropolen. Mit meinen Wetterrecherchen lag ich ziemlich daneben. Ne Klimatabelle für Russland… da wird dir nen frühlingshaftes Moskau angezeigt, aber nicht, dass der Badeurlaub am Baikalsee von dicken Eisschichten ruiniert wird. Ok, dass es in der Mongolei nie warm wird hätte mir wohl klar sein müssen. Zumindest weiß ich nun, dass ich meine Winterjacke wohl doch quer durch Südostasien mitschleppen werde.

Aber hier erstmal wieder das bisher Geschehene: Ich bin vom regnerischen Broome erstmal weg auf den Highway gefahren, obwohl der noch gesperrt war, nen paar km weiter. Dort hab ich die Nacht verbracht und bin am nächsten Morgen weiter. Das nächste Roadhouse konnte mir um neun Uhr morgens noch keine Infos geben, ob die Straße offen ist, da sie durch den Zyklon noch von der Außenwelt abgeschnitten waren. Also hab ich bei ner Tasse kostenlosen Kaffee (gibt’s hier in vielen Roadhäusern für die Fahrer) die Wetterereignisse diskutiert und gewartet, bis der erste Trucker aus der anderen Richtung kam, um uns zu sagen, dass die Straße nun für Geländewagen wieder offen ist. Also gings weiter, meine bisher längste Strecke an einem Tag, 650km von einem Ort zum nächsten. Je näher ich nach Port Hedland kam, umso mehr waren die Auswirkungen zu sehen. Zyklon Heidi hatte Stufe 2, da möchte ich nicht wissen, wie es nach ner Stufe 4 aussieht. Überall lagen ausgerissene Bäume, Hausdächer, Gartenzäune, Palmenteile, usw. und alles war überschwemmt. Auf der Straße gings meist nur langsam voran, da das Wasser meist nen halben Meter drüber stand, aber zumindest war ja Teer drunter. Es war jetzt kein megaschlimmer Zyklon, die Leute sind das ja gewöhnt und man wurde ja auch früh genug gewarnt, aber ich bin zumindest froh, dass ich mich da als Camper nicht grad aufgehalten hab. Auch an dem Tag kam eine Gewitterfront nach der nächsten und das Wasser stieg permanent weiter. Auch am Strand war alles verwüstet, da die Flut ziemlich hoch war. In sämtliche Geschäfte und Häuser musste man noch über Sandsäcke klettern und das meiste war noch geschlossen. Aber die Post hatte auf. Als ich nach meinem Päckchen gefragt hab, wusste sie sofort, ohne nach zu schauen, dass es da ist. War auch ziemlich auffällig, in drei Plastiktüten gepackt und zerknautscht bis zur Unkenntlichkeit. Vielen Dank an die Deutsche Post! Die haben es nämlich beschädigt, stand drauf. Den Büchern hat das nichts gemacht, allerdings war mein lang ersehnter Baumkuchen nur noch Krümel. Nicht, dass ich ihn nicht mehr gegessen hab, geschmeckt hat er ja noch genauso lecker.

In der Stadt kam ich nicht klar, entweder waren Straßen- und Hinweisschilder gänzlich weggepustet, oder in die falsche Richtung gedreht, sodass ich nur herumgeirrt bin. Hier arbeitet man entweder am Hafen oder in den Eisenerzminen der Umgebung. Ich fiel also auf, da ich die einzige war, die keine Warnweste und Arbeitsschuhe trug. Und es war wieder eine Stadt mit akutem Frauenmangel, sodass ich bei jedem Schritt beobachtet wurde. Viele Touristen verirren sich nicht hierher, weshalb auch die Touristeninfo nen ganzen Monat geschlossen hat. Als ich dann noch nen McDonalds gefunden hab, hab ich mich nur drüber ärgern können, dass das Internet nicht funktionierte, also hatte ich keinerlei Chancen an Infos zu kommen über meine Route. Da die Campingplätze hoffnungslos überfüllt waren mit Minenarbeitern hab ich mich etwas außerhalb hinter nen Lkw gestellt und dort eine sehr unruhige Nacht verbracht, da die ganze Zeit die Angst da war, von nem Polizisten geweckt zu werden, außerdem war ne Mine direkt nebenan und die Kopfschmerzen vom vielen Fahren an dem Tag ließen auch nicht nach. Am nächsten Morgen hab ich nochmal vergeblich nach ner Internetmöglichkeit gesucht und bin dann Informationslos Richtung Landesinnere gestartet, obwohl ich eigentlich gar keine Lust hatte zu fahren. Abwechslung vom langweiligen geraden Highway haben mir dann ein paar Minenarbeiter gegeben; erst haben sie mich winkend überholt (nen Bus mit ca. 20Männern) und dann haben sie sich, als ich vorbeigefahren bin, an nem Rastplatz in einer Reihe zum Pinkeln aufgestellt, mit Blick zum Highway  Als sie mich dann wieder überholt haben, haben wieder alle schön gewunken. Über was man sich auf solch langweiligen Straßen alles freuen kann.

Nun ist der Vorteil, dass ich endlich die blöde tropische Klimazone hinter mir gelassen hab. Hier ist es wieder einfach nur heiß. Heißes, trockenes Wüstenklima…tut das gut. Ganz ohne Luftfeuchtigkeit. Auch die Regenfronten hab ich nun wieder hinter mir gelassen, es ist wieder alles dürr und ausgetrocknet. Man findet zwar wieder keinen Schatten mehr, da auch keine Bäume mehr da sind, aber das ist mir trotzdem lieber. Und nun kann ich auch endlich wieder Frühs und Abends Sport machen und draußen sitzen, die Nächte werden auch wieder kühler, ach, toll!

Am nächsten Tag, immer noch Informationslos hab ich dann nach über 300km endlich das nächste Roadhouse erreicht, wo man mir keine Infos über den Nationalpark geben konnte, da hätte ich in der Info in Port Hedland fragen sollen…haha! Also bin ich einfach hingefahren, um dann zu sehen, dass der Nationalpark zu ist. Meinen Bikini konnte ich dann also wieder wegstecken, wo ich mich schon so gefreut hab auf kühle Wasserlöcher ohne Krokodile. Aber die Gegend war trotzdem schön, schöne Berge (bis 1000m) mitten in der kahlen Wüste. Am Mt. Bruce (1072m) bin ich dann mal am Nachmittag, als die Sonne gerade hinter ner Wolke war, gewandert. Zu nem Lookout, eine Stunde hin und rück. Der Gipfel selbst wäre noch 4Std weiter gewesen, das wäre bei dem Wetter dann doch nicht so ratsam gewesen. Die ganze Gegend ist voller Erzminen und Militärstützpunkte.

In der Nacht wurde ich wach, durch einen Zug, einem richtigen. Ich hab gedacht, der endet nie. Am Morgen kam noch einer, da hab ich gesehen, warum das so laut war. Ich hab gezählt, es waren 3 Loks, ca.250 Waggons und dann noch 2 Loks… das nenn ich mal nen langen Güterzug.

Am nächsten Tag gings weiter in eine „Stadt“, die wieder nur eine Tankstelle und nen Supermarkt hatte und in der ich als Frau und ohne Warnweste wieder enorm auffiel. Weiter gings auf dem Highway entlang. Die Gegenden sind nun genau wie mein Weg in der Mitte rauf, nur jetzt andersherum. Man hat Murmelähnliche Felsen überall, wie in Tannant Creek, man hat Berge, wie in den McDonald Ranges, man hat rote Sanddünen, wie um den Ayers Rock, man hat kahle Wüste, wie um Coober Pedy. Da ich nicht mehr wusste, was ich noch angucken soll während der Fahrt, hab ich mir nun angewöhnt zu lesen. Geht prima, Buch aufs Lenkrad und nach jedem Absatz mal gucken, ob die Spur noch stimmt, was ja nicht schwer ist bei dauerhafter Geraden. Gegenverkehr gibt’s auch kaum, ist also ne super Beschäftigung, da geht die Fahrt viel schneller rum.

Bei meinen Pausen wurde ich schonwieder zweimal von nem Wirbelsturm erwischt. Ich weiß nicht, warum die nicht ums Auto herum wirbeln, sondern immer mitten durch wollen. Deswegen hab ich nun schonwieder die halbe Wüste im Auto.

Nun bin ich in Exmouth, wo ich in nem Hotel Internet nutzen kann, nachher geht’s noch weiter in den Cape Range National Park. Schöne Gegend, schöne abgelegen auf ner Halbinsel. Man hat kahle Wüste, Berge und Meer direkt nebeneinander.

 

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