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World, hold on!


Nun war ich also in den letzten Tagen in dem schönen Städtchen Geraldton unterwegs, bin jeden Abend 12km raus auf den Rastplatz gefahren, wo ich geschlafen hab (wo ich aber nicht kochen durfte, da gerade totales Feuerverbot hier herrscht) und jeden Morgen wieder zurück in die Stadt, wo ich mir die Zeit, nachdem ich am Strand ne kostenlose Dusche genutzt hab, mit Einkaufsbummeln, ohne was zu kaufen, Dombesichtigung, in Cafés sitzen und in der Bücherei vertrieben hab. An einem Abend war ich schön Italienisch essen, obwohl von den ehemals 4 italienischen Restaurants nur noch eins offen war. Ein Wohnmobil aus Frankreich hab ich gesehen, das erste europäische Nummernschild hier, mit vier Fahrrädern dran. Wie lange muss man denn hier Urlaub machen, insbesondere mit Kindern, damit es sich lohnt, seinen Camper nach Australien verschiffen zu lassen? An einem Morgen hab ich zwei Australier kennengelernt, mit ihrem Hund, die auch in der Nähe campen, allerdings dauerhaft. Mal von den dreckigen Klamotten und den drei Zähnen im Mund waren sie ja ganz nett. Und als sie fast ne Stunde mit ihrer Mutter (sie waren beide schon um die 40) am Telefon darüber diskutiert haben, warum sie keinen Job haben, hab ich mich mit dem Hund am Strand beschäftigt.

Abends hab ich dann das genossen, was ich schon in Spanien so geliebt hab, dass der Tag dann erst richtig beginnt. Man genießt sein Abendessen bei Sonnenuntergang am Strand, die Spielplätze sind auch um elf noch voller tobender Kinder, die Temperaturen sind erträglich und die Leute sind noch lockerer, als so schon.

Gestern nun war der Australia Day. Ich bin gleich Frühs um acht in der Stadt gewesen, um mir nen Parkplatz zu sichern. Dann gab es Eröffnungszeremonie…ja, nen Volksfest startet hier schon Frühs um acht… mit einem Redner, der aussah und sich anhörte, wie Obama und Musik und Frühstück. Alle BBQ Grills am Strand, und davon steht hier ca. alle fünf Meter einer, waren besetzt von Familien, die sich ihren morgendlichen Speck gebraten haben. Es sollte den ganzen Tag sonnig und 42°C sein, die Sonne hat sich aber zum Glück nie blicken lassen, die Sonnenstrahlung war aber trotzdem auf Stufe 14, also extrem hoch, und es hatte 38°C, sodass man um Hut, Sonnenbrille und Sonnencreme, die wieder überall kostenlos verteilt wurde, nicht herum kam. Es war ein Alkohol-, Drogen- und rauchfreies Fest. In Deutschland kaum vorzustellen, da wird schließlich sogar darüber gemeckert, dass in Restaurants nicht geraucht werden darf, was hier völlig selbstverständlich ist. Und hier durfte man also auch nicht draußen rauchen, geschweige denn wurde irgendwo Alkohol ausgeschenkt, was der Stimmung aber keinen Abbruch brachte… prima Sache!

Im Laufe des Vormittags gab es diverse Konzerte, Talentshows (und die haben verflucht viele Talente in dieser kleinen Stadt), Zumbatänze und dann den Wife Carrying Wettbewerb. Es haben sich allerdings nur fünf Männer getraut, ihre Frauen auf dem Rücken durch einen Parcours zu tragen. Da dieser verrückte Sport aus Finnland stammt, haben sie extra einen Moderator aus Finnland eingeflogen, der vergeblich versucht hat, weitere Freiwillige zu finden. Danach wurde ein Seniorenkaffee am anderen Ende des Hafens serviert, Grund war, dass nun die Rockbands auf die Bühne kamen. Ein super Programm also, und alles kostenlos. Zur Abkühlung hab ich mich dann mal in nen Café verzogen, bevor es um fünf zurück auf den Festplatz ging. Diesmal gab es auch so ein großes Angebot an Fahrgeschäften, Losbuden, Bullriding, usw., die Fressbuden allerdings hatten auch wieder nur Fast Food. Dafür, dass man hier sehr sportlich ist (ich komm mir vor, wie in Californien, überall schlanke Leute im Bikini/Badehose auf Rollschuhen und Skateboards, beim Joggen, Schwimmen, Surfen,…), ist man bei der Ernährung nicht besonders weit vorangeschritten. Jede Menge süßer Drinks, das gesündeste war nen Trinkpäckchen mit ner Art Orangensaft, der aber ebenfalls ungenießbar klebsüß war. Und zwischen Hot Dogs, Burger, Speck&Ei-Sandwich und Sausage-Rolls war wohl das gesündeste Essen ne Ofenkartoffel, die allerdings kaum zu erkennen war unter nem riesigen Berg Schmand mit geriebenen Käse und Schinkenstreifen. Im Café hatte ich mir nen Stück Karottenkuchen gegönnt, da ich dachte, damit kann ich ja nicht so falsch liegen, das müsste genießbar sein. Von wegen! Auf dem Stück war ne ca.2cm dicke süße Creme, daneben ein riesiger Haufen Schlagsahne, der für ne ganze Torte gereicht hätte und das Ganze war noch dick mit Ahornsirup beträufelt… schrecklich! Ich glaub, wenn nen Australier nach Europa kommt, der würde die ganze Zeit an Unterzuckerung leiden.

Am späten Nachmittag ging das Programm also weiter, der Festplatz nun schon wesentlich voller, aber da hier jeder seine Picknickdecke mitbringt und sich auf die Wiese setzt, hab ich auch noch ein Plätzchen gefunden. Gesprächspartner hatte ich immer reichlich, allerdings hatte ich das Gefühl, dass ich eine der wenigen Touristen war. Keine Ahnung, ob sich andere Reisende nicht so gern unters australische Volk mischen wollen oder ob das Alkohol- und Rauchverbot zu viele Deutsche abgeschreckt hat. Es gab noch irische Musik, balinesische Bauchtänzerinnen, einen dicken schwarzen Sänger mit ner megaguten Gänsehautstimme, eine tolle Sängerin, eine Beatles-Band, Seilakrobatik, einen Künstler, der zur Musik tolle Bilder auf ne riesige Leinwand gestrichen hat, eine Comedy Show, ein Theaterstück und eine Opernsängerin, die die australische Nationalhymne gesungen hat, die Hymne von Western Australia und die Hymne der Stadt. Alle sind aufgestanden und haben jeden Satz mitgeträllert, mit megamäßigem Nationalstolz, was auch darin zum Ausdruck kam, dass jeder mindestens eine Australienmütze aufhatte, ein Australien-Tshirt trug, mit Australienbikini baden ging, eine Australienflagge bei sich hatte, nen aufgemaltes Australien- Tattoo auf der Wange oder aber von Kopf bis Fuß mit den australischen Farben bemalt war. So sieht es bei uns noch nicht mal in Fußballzeiten aus. Auch Autos und Boote und Häuser waren reichlich beflaggt und ein ganzes Volk feierte zusammen sein Land. Ach war das schön. Nun wird es mir noch schwerer fallen, dieses Land wieder zu verlassen. Und es fällt mir nun noch leichter, nie wieder zurück in mein geteiltes Heimatland zu gehen (außer zu Besuch natürlich). Vielleicht können ja irgendwann mal meine Kinder oder Enkel nach Deutschland reisen und einen Nationalfeiertag mit Einheit, Zusammenhalt und Nationalstolz erleben, aber ich glaub eigentlich nicht dran.

Am Abend gabs dann ein riesiges Feuerwerk, sodass ich das nachholen konnte, was ich an Silvester verpasst habe. Es war ganz nett, allerdings ist ein Silvesterfeuerwerk am Amphitheater im schönen italienischen Verona einfach nicht mehr zu toppen. Danach sind tausende Menschen ins Verkehrschaos gestartet, ich hab mich lieber wieder zu denen gesellt, die dann noch weitere zwei Stunden den Klängen der Beatles gelauscht haben… Vielleicht falsch ausgedrückt, es war ne Megastimmung, alle haben mitgesungen und getanzt und auch der Regen, der nun anfing, konnte uns nicht verscheuchen. Noch mal zu erwähnen: das alles ohne einen Tropfen Alkohol! Halb elf war dann Feierabend, ALLE haben noch den Müll auf dem Festplatz eingesammelt, die Picknickdecken wurden eingerollt, die lang vermissten Kinder eingesammelt, die ungewöhnlich sauberen Klohäuschen wurden wieder verladen, die Sicherheitsleute mit ihren neongelben Sonnenhüten konnten nach Hause gehen und alles sah wieder aus, als wäre nie was gewesen. So ging der Australia Day auch für mich zu Ende und ich bin schon auf der Fahrt zu meinem Schlafplatz fast eingepennt und lag auch keine Minute im Bett, bevor ich in meinen verdienten Schlaf gefallen bin. Der 26.Januar geht eindeutig, als einer der schönsten Tage auf meiner Reise in meine Erinnerung ein. Vielleicht wäre Australien ja später doch mal als Auswanderungsziel in Erwägung zu ziehen, vielleicht bekommen sie ja in ein paar Jahren auch ihr Fast Food Problem in den Griff. Mal sehen, was die Zeit bringt.

Heute Morgen, nachdem ich dann wieder die kostenlose kalte Dusche mitsamt all der Kakerlaken genutzt hab, hab ich stundenlang mit nem Schweizer geschwätzt, der ebenfalls bald sein Auto in Perth loswerden will. Er war nur an der Westküste unterwegs, hat aber trotzdem schon 12000km zusammen, die Entfernungen sind also nicht nur für mich so gigantisch. Heute geht’s weiter Richtung Perth, am Sonntag noch Auto putzen und dann schon fast Sachen packen 

 

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