Nun hatte ich doch noch um eine vierte Nacht in dem stinkigen Hotel verlängert. Im ersten Zimmer musste ich dann erstmal feststellen, dass ich nicht mal Wasser hatte, also hat man mir ein anderes Zimmer gegeben. Dort war ich dann im Keller in einem Doppelzimmer, hatte nicht mal ein Fenster, aber komischerweise trotzdem jede Menge Moskitos. Der Ventilator hatte genug Power, der Fernseher hat funktioniert, es roch nicht ganz so schlimm, war aber auch überall mit überstrichenem Schimmel übersäht. Das Bad hatte Wasser, dafür musste man aber ganz schnell rausrennen, wenn man die Klospülung betätigt hat, da der Spülkasten kaputt war und das meiste von dem Wasser auf dem Boden und nicht im Klo gelandet ist. Aber es war ok, hab ja keine großen Ansprüche mehr, nach 10Monaten Camperleben. Und es war gut gelegen und das Personal war nett, also hab ich auch noch eine Nacht gebucht.
Am Montag ging es dann wie geplant mit dem Fahrrad um acht zu den Tempeln. Der Straßenverkehr in Kambodscha ist, wie ich bereits erwähnt habe, absolut chaotisch…wenn man in einem Tuktuk sitzt. Wenn man allerdings selbst darin fahren muss, ist es absoluter Selbstmord. Bis ich mir erstmal meinen Weg auf die richtige Straßenseite erkämpft habe, verging schon eine halbe Ewigkeit. Dann braucht man nicht zu denken, nur weil man auf der Hauptstraße fährt, müssen die Fahrzeuge auf den Nebenstraßen warten… nein, die fahren einfach. Man braucht nicht zu denken, wenn man bei grün an einer Kreuzung losfährt, dass die in der anderen Straße bei der roten Ampel warten… nein, die fahren einfach. Man braucht nicht zu denken, dass man, wenn man ganz weit am Rand fährt, sicher ist… nein, da kommen einem auch ständig Geisterfahrer entgegen, die sich den Weg auf die richtige Straßenseite noch nicht erkämpfen konnten. Man braucht nicht zu denken, dass man auf den Bürgersteig flüchten kann… nein, den nutzen auch die Motorradfahrer. Man braucht nicht zu denken, dass die Kambodschaner den Schulterblick machen, bevor sie abbiegen… nein, die fahren einfach. Es herrschen also keinerlei Regeln und wenn man aus einem Land kommt, indem es Verkehrsregeln gibt, will man sich auch daran halten und es ist dann ziemlich gefährlich, wenn man die einzige ist, die das tut. Wie ich herausgefunden habe, dürfen Touristen erst seit kurzem keine Motorräder mehr leihen. Man hat das wieder eingestellt, da es zu gefährlich war. Ich bin mir aber nun wirklich nicht sicher, ob es nicht mit dem Fahrrad genauso gefährlich ist. Nach einigen Malen Absteigen, Schieben, zaghaftem Klingeln, Vollbremsungen und jeder Menge Fluchen, hab ich es dann doch mal irgendwann raus aus der Stadt geschafft. Mein Fahrrad war auch der Hit, ein alter Drahtesel, mit extrem niedrigen, mega-unbequemen Sattel, einem blöd gebogenen Lenker, einem wackeligen Körbchen, einer kaum funktionierenden Bremse und einer kein-Gang-Schaltung. Man konnte also gar nicht schnell fahren, das war nur ein langsames, wackeliges Cruisen. Aber da die ganze Strecke eben war, war es nicht sonderlich anstrengend und definitiv die beste Möglichkeit herumzukommen und für 2$ auch die billigste. Als ich nach ewigem Schlangestehen meine teure Eintrittskarte für 40$ hatte, ging es zum ersten Tempel… und zum zweiten, zum dritten,… nach zehn Tempeln war es genug für den Tag. 16km lagen hinter mir und das war nur der kleine Rundweg. Das Gelände ist uuuunglaublich groß und die eigentlichen Tempel haben auch riiiiiesige Ausmaße. Vom 9. Bis zum 15. Jahrhundert war das hier das Zentrum des Khmer Königreiches Kambuja. Mit mehr als 200km² ist das der größte Tempelkomplex der Welt. Wem die Bilder bekannt vorkommen, hat wahrscheinlich schon Angelina Jolie als Lara Croft in Tomb Raider hier herumspringen sehen. Es war wirklich atemberaubend schön, aber die Hitze hat es ziemlich erschwert, insbesondere, weil man hunderte Treppenstufen meistern musste. Vor jedem Tempel erwarteten einen hunderte Verkäufer und bettelnde Kinder. Manche so aufdringlich, dass sie einen meterweit verfolgt und sämtliche Dinge vorgeführt haben. Am Mittag hab ich mich dann mal zwischen den Verkäufern durchgezwängt in ein Restaurant (hier nur ein paar Gartenstühle unter einem Ventilator mit Sonnendach), wo ich eine kambodschanische Reisnudelsuppe genossen hab. Dass die Tempel vollkommen überlaufen sind, muss ich nicht erwähnen, das ist schließlich DIE Sehenswürdigkeit schlecht hin. Informationen habe ich jede Menge bekommen, da ich mich meist an deutsche Reisegruppen gehangen habe. Einmal hab ich mich nur verraten und wurde von ca. 50 über 70jährigen Sachsen bis ins Detail über meine Reise ausgequetscht. Da sie allerdings ziemlich langsam die vielen Stufen hochgeklettert sind, hab ich mir oben wieder eine neue Gruppe suchen müssen, was nicht schwer war, bei all den deutschen. Was mich tierisch geärgert hat, waren die vielen jungen deutschen Mädels, die mit schulterfreiem Top rumliefen. Da ich mit dem Fahrrad unterwegs war, hatte ich ebenfalls so etwas an, hatte aber eine Bluse zum Überziehen für die Tempel. Überall standen dicke Schilder, dass man nichts Schulterfreies tragen sollte und sie liefen trotzdem so rum. Und bis auf zwei Franzosen waren es alle Deutsche. Warum haben sie nicht gleich ein T-Shirt getragen mit der Aufschrift „wir akzeptieren die Kultur anderer Länder nicht“… bleibt zuhause!!! Wieder hab ich mich für die Landsleute schämen müssen. Zum Glück wurde in manchen Tempeln kontrolliert und sie standen draußen und haben sich geärgert, dass sie nicht reingelassen wurden. Nachdem ich mich noch durch den letzten Tempel gequält hatte, immer bewaffnet mit Sonnencreme, riesigem Hut, Schirm und Fächer, hab ich nicht mehr auf den Sonnenuntergang warten wollen. Nach einer letzten Cola in einem Café, wo mich der französische Besitzer gern heiraten wollte, bin ich wieder zurück in den verrückten Stadtverkehr geradelt und war um fünf wieder im Hotel und habe mich über meine eiskalte Dusche gefreut. Danach ging es nochmal über den Nightmarket, wo man für einen Dollar eine Ganzkörpermassage bekommen kann, oder seine Beine in einem Wasserbecken von Fischen massieren lässt, wo man wieder von DVDs über Klamotten bis Souvenirs alles bekommt, nur halt für asiatische Verhältnisse viel zu teuer.
Am Dienstag erwartete mich dann um 8Uhr mein Tuktukfahrer. Da ich mich nun über die Preise informiert hatte, hab ich gleich gesagt, dass ich ihm nicht mehr als 15$ zahle und da hat er auf einmal behauptet, nie was von 20$ gesagt zu haben. Na gut, also ging es los, er hatte eine kleine Kühlbox mit Wasserflaschen bereitgestellt und ich musste ihm erstmal erzählen, wo ich nun schon überall war. Mit dem Tuktuk ging es dann also entlang des großen Rundweges, weitere 11 Tempel. Mein Fahrer brachte mich zu jedem Eingang und wartete dann dort auf mich. Die Fahrt war aber nicht so schön, wie mit dem Fahrrad, da man weniger die Stille der Natur genießen kann, man muss darauf warten, dass der Fahrer irgendwo anhält, man kann halt nicht die Freiheit genießen, wie mit einem eigenen Gefährt. Bei einem kleinen Tempel , ziemlich abgelegen, ich war die einzige dort, kam ein Junge zu mir, der mir mit gutem englisch etwas über den Tempel erklärt hat, über die Zerstörung, über die Bauweise, usw. Begleitet wurden wir von einem kleinen niedlichen Mädchen, dass meine Hand gehalten hat, als wir auf den Trümmern herumgeklettert sind, die mir ein Blümchen ins Haar gesteckt hat, halt schön die niedliche gespielt hat. Am Ende war noch ein Junge bei uns und sie haben mir was von einer Schule erzählt, die dringend Spenden braucht. Also hat die doofe Tine ihnen 5$ dafür gegeben. Weil sie mir nichts haben verkaufen wollen und sie mir so viel erklärt haben, hab ich jedem noch extra einen Dollar gegeben. Als ich die 5$ dem einen Jungen gegeben habe, hatte ich mein restliches Geld wieder lose in die Handtasche geschmissen, die ich in dem Moment auch noch offen gelassen habe. Er hatte meine Hand festgehalten und sich zehn Mal bedankt, sodass ich voll auf ihn konzentriert war. Der andere Junge stand neben mir, auf der Seite der Handtasche… so die Situation. Zurück im Tuktuk hab ich dann festgestellt, dass meine restlichen 20$ verschwunden waren… so der Zufall. Eigentlich war es meine eigene Schuld, da ich zu leichtsinnig war. Es sind nur 20$, mehr hatte ich nicht dabei und ich versuche mir jetzt halt einzureden, dass die Armut sie dazu gebracht hat. Ärgerlich ist es trotzdem und ich habe es jedem, der mich danach noch um Geld angebettelt hat, erzählt. Da ich mir ja dann nicht mal mehr Essen kaufen konnte waren wir mit dem Tuktuk recht schnell durch mit all den Tempeln. Das Auswärtige Amt hatte noch ein Infocenter auf Deutsch, da sie wohl jede Menge Geld in die Renovierung der Tempel stecken. Keine Ahnung, ob das wirklich die richtige Investition ist, ob es nicht besser wäre das Geld in Nahrung für die Menschen zu stecken. Naja, um ein Uhr mittags war ich dann schonwieder zurück im Guest House, wo mein Fahrer dann erstmal warten musste, bis ich ihm sein Geld beschafft habe.
Nachdem ich mich von der Hitze etwas erholt hatte, hab ich mich mal ins Rooftop Café überm Hotel verkrümelt, wo ich die nächsten Stunden saß. Erst hab ich mit dem einen Hotelangestellten über die Politik und Problematik Kambodschas diskutiert. Dann versucht, mich mit einem deutschen Pärchen zu unterhalten, die hier 2Monate verbringen, nur um sich jeden Tag zu bekiffen, wie auch an diesem Tag. Sie kamen gerade aus der Pizzeria nebenan, in der es nicht nur Cannabis auf der Pizza gibt, sondern auch bei der Rechnung noch eine ganze Tüte Gras für nur 10$, was sie natürlich über den Abend hin schon fast aufgebraucht haben. Sie war eine derer, die sich darüber aufgeregt hat, dass man sie im Trägertop nicht in die Tempel gelassen hat. Daher war das Gespräch recht schnell beendet, nicht ganz meine Wellenlänge. Und dann gab es noch ein ausgiebiges Gespräch mit einem Kanadier, der mir durchaus meine nächsten Australienpläne ausgetrieben hat und mir Kanada in meine Gedanken gepflanzt hat. So sehr, dass ich sogar in der Nacht im Traum schon in Kanada war.
Da es ziemlich spät ins Bett ging, hab ich dann auch mal geschlafen bis neun Uhr. Eigentlich hatte ich vor, mit dem Fahrrad an den Tonle Sap See zu fahren, zu den schwimmenden Dörfern. Allerdings konnte mir keiner sagen, wie der Zustand der Straße dorthin ist und außerdem hatte ich gehört, dass das wieder nur ein Trip wird, bei dem alle Geld von dir haben wollen. Also hab ich mir ein Café gesucht, in dem ich ein Croissant zum Frühstück auftreiben konnte. Den Tag davor hab ich nämlich irgendwie das Essen komplett vergessen. Mein Magen sagt aber schon gar nichts mehr dazu, der hat sich an den Hunger gewöhnt. Die 6 Kilo, die ich die letzten 10Monate drauf bekommen habe, bekomme ich hier auch wieder runter. Mein Frühstück hab ich mit einer Australierin genossen. Sie kam gerade erst in Kambodscha an und war von allem noch ziemlich geschockt und wollte tausend Tipps von mir haben. Sie hat ihr Haus in Australiens Fluten verloren und ist nun hierhergekommen, um nun Leuten zu helfen, denen es noch schlechter geht. Das Frühstück hatte sich somit schon auf ein Mittagessen ausgeweitet. Danach ging es für mich mal in ein anderes Café. Der Besitzer war Australier und hatte gerade viel Zeit für mich übrig, also hat das auch einige Stunden gefüllt. Danach ging es zurück zum Guest House, wo ich den Abend wieder in der Rooftop Bar zugebracht habe. Stundenlang hab ich wieder mit dem Hotelangestellten diskutiert, er wollte Bilder von meiner Heimat sehen, wollte wissen, wo in Deutschland der Dschungel ist, wo die Krokodile wohnen, wollte die deutschen Schuluniformen sehen und ich musste ihm Bilder von deutschem Essen zeigen. Und ich musste ihm erklären, was Postkarten sind und warum man die schreibt. Abends war ich noch was trinken mit zwei Kanadiern und kurz vorm Bettgehen fiel mir noch ein, dass ich mir doch noch einen Khmerschal kaufen will. Also bin ich nochmal schnell auf den Markt gelaufen. Ich habe festgestellt, wenn man entschlossener aussieht und nicht so verloren scheint, sprechen einen auch nicht mehr so viele Verkäufer und Tuktukfahrer an. Aber immer, wenn man sich in einem Ort gerade mal zurecht gefunden hat, zieht man schonwieder in den nächsten weiter, wo man sich wieder nicht auskennt. Auch die Straßenüberquerungen fallen immer leichter, man gerät nicht mehr so leicht in Panik, wenn man mitten auf der Straße vom rasenden Verkehr umfahren wird.
Heute Morgen bin ich dann schon zehn Minuten vor dem Wecker aufgewacht, da ich keinen Strom mehr im Zimmer hatte und es ohne Ventilator ziemlich heiß wurde. Nachdem ich im Handtuch mal irgendwen auftreiben konnte, hatte ich dann auch wieder Licht. Ich war fast fertig mit duschen, als dann mein Wasser ausging. Sie haben mir dann erklärt, dass der Staat Wasser sparen will und somit gibt es in der Stadt nur 1-2 Stunden Wasser, 5-6 Stunden keins, 1-2 Stunden Wasser, usw. Ein Privathaus kann sich darauf einstellen, ein Hotel muss sich das Wasser irgendwo sammeln und genau damit hatte meins so seine Probleme. Naja, ich war so weit fertig, auf meinem Busticket stand, sie holen mich um 7:30 Uhr ab, bringen mich zur Bushaltestelle, wo der Bus dann um 8:30 Uhr startet. Es war mittlerweile 8:25 Uhr, als mein Shuttlebus kam. Er hat mich eingeladen, ist 100m weiter gefahren und schon waren wir beim Bus. Super! Das hätte ich auch laufen können. Der Bus war alt und klapprig und ich war der einzige Tourist, keine Ahnung, was mein Hotel da an meiner Buchung nicht verstanden hat, aber nun hatte ich ein Ticket für einen normalen Linienbus. Die Klimaanlage hat kaum funktioniert, keiner konnte englisch sprechen und wir haben in jedem Ort gehalten. Es hat nach alten vergammelten Ledersitzen gerochen und die Hupe, die dauerhaft verwendet wurde, war noch lauter, als im letzten Bus. Erwähnt war wieder eine Flasche Wasser, kaltes Handtuch und Kekse kostenlos, gab es natürlich alles nicht. Irgendwann nach 8Std Fahrt kamen wir aber dann doch mal in Phnom Penh an. Für mich ging es mit dem Tuktuk wieder zurück zum schönen Hotel, wo ich wieder Klopapier und ein sauberes Bad hatte. Allerdings wieder das schöne Zimmer vom letzten Mal, wofür ich wieder das Opfer bringen musste, meinen schweren Rucksack in den fünften Stock zu schleppen, während der Zimmerjunge wieder nur die Klopapierrolle tragen musste. Jetzt hab ich mich wieder, um endlich mal abzukühlen, durch die Straßen gekämpft, jedem Tuktukfahrer nur einen „Don´t ask me again!“-Blick zugeworfen und sitze nun bei kalter Pepsi und kostenlosem Internet im KFC. Morgen früh um zehn muss ich meinen Rucksack wieder die Treppen runter schleppen, um weiter nach Vietnam zu fahren.



















