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Das Land der Drachen

Am letzten Tag in Hue machten mir Übelkeit, Schwindel und Kopfschmerzen immer noch das Leben schwer, aber ich musste weiter. Schweren Herzens hab ich aus dem tollen Zimmer ausgecheckt, nachdem ich mit Taschenlampe geduscht habe, da es seit ein Uhr nachts keinen Strom mehr gab. Der Rucksack blieb noch im Hotel, während ich mir in diversen Cafés die Zeit vertrieben hab. Was ich an dem Tag im Bett verpasst habe, war schlechtes Wetter. Überall waren Pfützen und alle liefen in dicken Winterjacken herum. Ich wusste nicht mal, dass man in Südostasien überhaupt Winterjacken bekommen kann, geschweige denn hab ich verstanden, für was man die bei 22°C überhaupt braucht. Die Touristen waren natürlich von dem „kalten“ Wetter wenig beeindruckt und liefen trotzdem weiter in Flipflops und T-Shirt herum.

Nachmittags hab ich dann meinen Rucksack abgeholt, durfte mich im Hotel nochmal frischmachen, bevor es zum Nachtbus ging. Der Nachtbus… joah, so schön es auch auf den ersten beiden Fahrten im Nachtbus war, die Strecke von Hue nach Hanoi war der blanke Horror. Um halb sechs am Nachmittag ging es los, angeschrieben waren 12Std, angekommen sind wir um halb neun am nächsten Morgen, also 15Std. Man hatte zwar wieder einen sauberen Bus, mehr oder weniger gemütliche Sitze/ Betten und eine saubere Toilette, aber man konnte kein Auge zu tun. Die Straßenverhältnisse waren unbeschreiblich schlecht. Man wurde die ganze Zeit durchgeschüttelt. Entweder ist man hochgehüpft, wenn der Bus mal wieder in einem riesigen Schlagloch verschwunden ist, oder man wurde zur Seite geworfen, wenn der verrückte Busfahrer den Schlaglöchern ausweichen wollte, oder man rutschte nach vorne, wenn bei lautem Hupen mal wieder voll auf die Bremse getreten wurde. Wenn man nicht schlafen kann, nichts sehen kann und nicht mal irgendwas machen kann, da es ja dunkel war, kommen einem 15Std echt wie ein halbes Leben vor. Da alle ziemlich genervt, übermüdet und schlecht drauf waren, kamen auch keine richtigen Gespräche auf. Der Bus war diesmal geteilt in asiatisch und nicht asiatisch, vorne saßen nur Asiaten, im hinteren Teil war ich mit sieben weiteren Deutschen, zwei Briten, einer Kanadierin und zwei Franzosen zusammen. Als die Horrorfahrt nun endlich überstanden war und wir die Hotel- und Motorradtypen abgewimmelt haben, hab ich mit einem deutschen Pärchen den Weg zum Hotel gesucht. Ich war immer noch ein wenig wackelig auf den Beinen, da ich gesundheitlich noch nicht wirklich wieder fit war. Zwischendurch hab ich die Kanadierin wieder getroffen, die sich am Bus ein Hotel hat aufschwätzen lassen, was sie nun alleine suchen musste. Im Hotel angekommen musste ich den 8Bett Schlafsaal erstmal nur mit einem Chinesen teilen. Er stand in einer Art Mönchskutte vor mir und als ich wissen wollte, was er da tut, war seine Antwort, dass er von China kommt. Ok, als ich auf die Fragen, ob er ein Mönch sei, wie lange er schon hier ist und ob er schon in Sa Pa war, auch nur die Antwort bekommen habe, dass er aus China kommt, wurde mir klar, dass „from China“ die einzigen englischen Worte waren, die er konnte. Aber ok, ich war müde, also sowieso nicht in der Stimmung für große Gespräche. Das heißt aber nicht, dass ich dann meine Ruhe hatte, nein, er hat sich selbst Geschichten erzählt. Ununterbrochen hab ich dann nun also chinesisch hören müssen und die Chancen auf Schlaf verringerten sich immer weiter. Nach einer Stunde kam dann noch ein Japaner ins Zimmer, der auf seine Fragen auch immer nur die Antwort bekam, dass er von China kommt. Naja, wir haben ihn dann allein mit sich reden lassen und aufgegeben, herauszufinden, warum er diese Kutte trägt. Nach einem langen Gespräch mit dem Japaner war ich meinem Schlaf immer noch nicht näher, als vier weitere Chinesen ankamen, sodass die chinesischen Selbstgespräche nun in eine chinesische Gruppendiskussion übergegangen sind. Einer der Chinesen konnte auch mal ein bisschen Englisch und uns dann übersetzen, dass der vermeintliche Mönch nur aus Spaß in alten, traditionellen Kutten herumreist. Meinen Schlaf konnte ich nun mittlerweile vergessen und der Hunger meldete sich, also bin ich erstmal losgegangen und hab mir was zum Lunch gesucht. Danach hat es mich noch durch die Straßen getrieben auf den nächstgelegenen Markt. Mein Ziel: eine Jeans, da meine den Geist aufgegeben hat. Auf dem Markt hab ich allerdings schnell aufgegeben, da man dort ja nichts anprobieren kann. Also bin ich dann in die teuren Modegeschäfte, wo mich eine Jeans immerhin schon 10€ gekostet hätte. Problem war allerdings, dass ich nach ca. 50 Geschäften deprimiert aufgeben musste, da die Hosen hier nicht für nicht-asiatische Frauen gemacht sind. Die normalen Größen waren 22-24, da hab ich mal vor 10 Jahren reingepasst! Ich hab mir die Hosen schon gar nicht mehr angesehen, sondern gleich nach der größten Größe gefragt. Die größte Jeans, die ich gefunden hab, war Größe 28 und trotzdem noch zu klein. Nachdem ich so froh war, dass ich immer mehr abnehme und den Gürtel immer enger schnallen kann, war ich nach dieser Shoppingtour wieder ziemlich deprimiert. Und die kleinen, dürren Mädels in den Läden haben mich auch schon immer so angeguckt, als wöllten sie sagen „nee, für dich fette Europäerin haben wir nichts“. Nun muss ich also noch weiter mit meinen Wanderhosen auskommen. Hätte ich das gewusst, hätte ich doch versucht, meine Jeans noch mal zu nähen.

Irgendwann am Nachmittag hab ich dann die Kanadierin aus dem Bus wieder getroffen, die sich darüber ärgerte, dass das Hotel, was man ihr aufgeschwätzt hat schon voll war und sie nun ein Hotel nehmen musste, wo sie 10$ pro Nacht bezahlt hat. Wir sind dann noch einen Kaffee trinken gegangen und mussten feststellen, dass wir beide nur wenige Minuten vorher eine Tagestour zur Halong Bay gebucht haben, nur bei unterschiedlichen Veranstaltern. Hätten wir uns mal früher wieder getroffen. Am Abend hatte ich dann geplant, früh im Bett zu liegen, allerdings war der kleine Chinese so glücklich, dass er mit jemandem reden konnte, dass er auch um halb zwölf noch nicht aufhören konnte, auf die anderen einzureden. Irgendwann bin ich aber dann doch mal eingeschlafen und erst um sieben wieder aufgewacht, da er noch mehr zu erzählen hatte. Und der flüstert nicht, wie man das normal macht, wenn man mit mehreren anderen Leuten das Zimmer teilt, nein, der hat mit großer Lautstärke ohne Pause geredet. Aber gut, mein Wecker hätte sowieso bald geklingelt. Nach einer Dusche über dem Klo, da das Bad winzig klein war, ging es drei Häuser weiter, wo mein Bus auch schon auf mich wartete. Mit zwei Holländern, neun Franzosen, sechs deutschen und einem malaysischen Pärchen ging es dann im Kleinbus auf die vierstündige Fahrt nach Halong. Irgendwann stellte man dann auch mal fest, dass man uns in den falschen Bus gesetzt hat, das war die 2Tages Tour, ich und die Malaysier hatten aber nur die Tagestour gebucht. Ich hab mich schon gewundert, warum alle anderen so viel Gepäck dabei hatten. Am Hafen angekommen, hat man uns dann doch noch irgendwie in eine Tagesgruppe geschleust und wir sind mit 18 neuen Leuten auf ein Schiff gekommen. Bei ziemlich diesigem Blick ging es neben hunderten von Booten in Richtung der 2000Inseln. Halong bedeutet Drachenlandung, da man denkt, die vielen Berge, die aus dem Wasser ragen, sehen aus, wie viele Drachen. Kaum hingesetzt, bekamen wir auch schon Lunch serviert. Ich saß mit zwei französischen Herren und dem Malaysischen Pärchen an einem Tisch. Es wurde mit Stäbchen gegessen und wir waren froh, Asiaten am Tisch zu haben, die uns Nachhilfe geben konnten und uns von allem immer mehr in die Schüsseln geschöpft haben. Es gab Reis, irgendwelche geröstete Fischröllchen, Eier, Gemüse, Salat, Fisch, Schrimps, Muscheln und Melone. Ja, ich hab alles probiert, mir blieb gar keine Wahl, eh ich mich versah, lagen schleimige Muscheln in meiner Schüssel und guckten mich niedliche Schrimps an und das alles dauerte auch wesentlich länger, da es kein Besteck gab, sondern halt nur Stäbchen. Die Malaysier hatten ihren Spaß mit uns ungeübten Stäbchen- Essern. Wir waren kaum fertig, als uns auch schon alles wieder genommen wurde, um uns raus zu scheuchen auf eine kleine Fischfarm. Wir waren in einem der schwimmenden Dörfer angekommen und konnten nun mit einem Kajak zu einer kleinen Höhle paddeln. Hab mich dafür entschieden, lieber die Meerestiere in den Käfigen zu beobachten und den Wachhund des Hausbootes zu streicheln. Es waren auch nur 6Leute mit den Kajaks unterwegs. Wenig später ging es dann weiter durch die Bucht. Ich war ja nicht ganz so begeistert, da das ziemlich viel Ähnlichkeit mit den Sounds in Neuseeland hatte. Nur das sich im türkisen Wasser keine Robben und Delfine tummelten, sondern Bierdosen und anderer Müll. Vietnam will einerseits Einnahmen mit dem Tourismus haben, andererseits verschmutzen sie aber ihr eigenes Land bis zum geht-nicht-mehr. Naja, ein Fotostopp waren ein paar Berge, die auf der 200.000Dong-Note abgedruckt sind. Der Franzose wollte dann von mir wissen, ob nicht auf einem Euroschein auch das Berliner Tor abgedruckt ist…puh, da hat er die falsche gefragt, nach so langer Zeit, weiß ich nicht mehr, wie die Euroscheine aussehen. Unser nächster Stopp war eine Tropfsteinhöhle. Ganz schön, aber damit konnten sie uns Europäer nun wirklich nicht begeistern, davon haben wir selbst genug. Als uns das Boot wieder abholte ging es wieder auf den Rückweg, mittlerweile war es fast Zeit für den Sonnenuntergang, den man allerdings vor lauter Smog nicht im Geringsten sehen konnte. Am Hafen angekommen, ging es dann mit dem Kleinbus wieder auf den Weg nach Hanoi. Wieder im Hotel, kam wenig später eine Holländerin an, mit der ich den restlichen Abend mit Gesprächen die Stimme des Chinesen übertönt habe. Heute Morgen dann derselbe chinesische Weckruf, wie gestern, nur dass ich heute eigentlich länger hätte schlafen wollen. Zum Glück ist er schon um acht wieder verschwunden. Mit der Holländerin war ich dann was frühstücken und dann hab ich mal wieder Sachen gepackt. Mein Rucksack hat wieder im Hotel gewartet, während ich nochmal durch die Straßen geschlendert bin. Noch immer im T-Shirt, während die Vietnamesen bei 20°C frieren. Aber meine Jacke hab ich mal rausgeholt, nach Monaten schwitzen erwarten mich nun wirklich mal kältere Temperaturen, wenn ich mein morgiges Ziel erreiche. Nachher geht es mit dem Nachtzug in die Berge nach Sa Pa, wo mich ca. 10-14°C die nächsten Tage erwarten. Aber wenn es dort weniger Touristen, mehr Ruhe und bessere Luft gibt, ist es das auf jeden Fall wert. Ich bin gespannt, ob der Nachtzug gemütlicher ist, da ich in den kommenden Wochen ja nun die meiste Zeit in Zügen verbringen werde. Und für die Strecke mit dem Zug hab ich immerhin mehr bezahlt, als für den gesamten bisherigen Transport hier in Vietnam.

 

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