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Tibet, nur einfacher

Letzte Woche ging es erstmal am Abend mit dem Bus zum Flughafen in Kunming. Da mir Timmy den Bus, den ich nehmen musste, schon gezeigt hat und ich auch schon mitbekommen habe, dass alle Busse hier nur 1¥ in der Stadt kosten, hab ich den Flughafen einfach gefunden. Auch wenn ich nicht gleich durchgeblickt habe, da arrivals im Erdgeschoss waren, departures in der oberen Etage, was aber nirgends angeschrieben war, ich musste mich durchfragen. Gefragt hab ich an der Money Exchange, nachdem ich wieder mit meinem vietnamesischen Geld weggeschickt wurde. Das hatte ich vergessen zu erwähnen, mit Timmy war ich neulich noch in einer Bank, um mein vietnamesisches Geld zu tauschen. Man hat uns mit lautem Kommentar und gezogenem Schlagstock aus der Bank geschmissen, als ich meine Dong aus dem Geldbeutel geholt habe. Timmy hat mir erklärt, dass China Vietnam hasst, deswegen wollen sie kein vietnamesisches Geld haben. Krass! Auch am Flughafen hatte die Frau regelrecht Angst vor dem Geld und sie hat gesagt, dass das momentan nicht möglich ist. Komische Sache. Da muss ich es wohl noch bis Deutschland mit mir rumschleppen. Naja jedenfalls hab ich irgendwann mal einen Ticketschalter meiner Fluggesellschaft gefunden, wo ich erklärt habe, dass ich kein Ticket bekommen habe, nur eine Buchungsnummer. War kein Problem, ich konnte direkt zum CheckIn, mein Ticket war sozusagen auf meinen Reisepass registriert, ich wurde mein Gepäck los und hatte dann noch viel zu viel Zeit. Mein Rucksack wiegt nun nur noch 14,2kg. Keine Ahnung, wo die restlichen 3kg hin sind. Der Flughafen ist zwar relativ groß, zumindest gab es 40Gates, aber es gab nur ein KFC, was total überfüllt war, und ein Café. Also bin ich, anstatt wieder mit den Chinesen um einen Platz zu kämpfen, in das Café, was ich ziemlich für mich alleine hatte, was allerdings bei 6€ für einen Smoothie auch kein Wunder war. Ich hatte allerdings tollen Blick auf die Flugzeuge, was ich nur noch eine halbe Stunde genießen konnte, bevor es dunkel wurde. Mit Lesen ging die Zeit dann irgendwie rum und um halb zehn ging es in den Flieger. Diesmal war es ein Airbus A320, der auch wieder gut ausgefüllt war. Da es über verdammt hohe Berge ging, war das wohl der turbulenteste Flug und die Anschnallzeichen erloschen fast nie. Den Chinesen war das aber relativ egal. Wir waren kaum von der Startbahn abgehoben, schon liefen sie im Flieger umher, die Stewardessen haben nur herumgeschrien, weil sich die Leute benommen haben, wie dumme Kinder. Die Handys, die ausgeschaltet werden sollten, klingelten am laufenden Band, die Sitze und Tische waren die ganze Zeit umgeklappt, die Kotzbeutel wurden zu Spuckbeutel umfunktioniert, die Klappen von den Gepäckfächern wurden auch bei Start und Landung ständig wieder aufgerissen und das Rauchverbot wurde immer wieder ignoriert, bis die Zigaretten von den Stewardessen ausgedrückt wurden. Dafür, dass es ein Billigflug war, wurden trotzdem Snacks und kostenlose Getränke verteilt. Ich hatte zwei chinesische Herren neben mir, einer konnte ein wenig englisch und wollte näheres über mich erfahren. Bis dann die Fernseher eingeschaltet wurden… und was lief? Ein Bericht über eine deutsche Glasbläserei. Mein Sitznachbar war so begeistert, dass er gleich im ganzen Flieger rumerzählen musste, dass ich von Deutschland komme und nun hatte ich die Aufmerksamkeit aller Flugzeuginsassen. Alle haben mich angestarrt und mir zugenickt, ich kam mir vor, als hätte ich in einem Hollywoodstreifen mitgewirkt. Als wir gelandet sind, sind sofort alle aufgesprungen, obwohl der Flieger gerade noch am Bremsen war. Das war ein Gedränge, wie in einem Schulbus, keiner hatte auch nur das geringste bisschen Anstand. Da ich am Gang gesessen habe, hab ich zugesehen, dass ich auch schnell daraus komme. Da das ja nun ein domestic Flug war, wollte keiner irgendetwas sehen und man stand in der nächsten Minute schon am Gepäckband, wo man dann jedoch noch Ewigkeiten warten musste, bis das Gepäck aus dem Flugzeug kam. Mein Rucksack kam wie immer gleich als erstes und ich war somit auch die erste, auf die sich die Taxifahrer stürzen konnten. Es war mittlerweile nachts um halb eins und ich hab die ersten Fahrer ignoriert, da sie eher wie Mafiabosse aussahen, musste aber schnell feststellen, dass ich um diese Tageszeit wohl keinen harmlos ausschauenden Fahrer finden kann. Also hab ich einfach einem dieser Gangster meine Hoteladresse gezeigt, die mir ja Timmy vorher in Chinesisch übersetzt hatte und er willigte ein und sagte mir in einem barschen Ton einen Preis, den ich nicht verstand. Also schrieb ich ihm den Preis auf, den ich vom Hotel erfahren hatte. Mittlerweile hatte sich schon eine Traube von Schaulustigen gebildet, keiner davon konnte mir mit englisch weiterhelfen. Er hatte nun noch 20¥ mehr aufgeschrieben, aber zu solch später Stunde hielt ich 18€ für eine 100km lange Fahrt durchaus für fair. Mir war zwar nicht ganz wohl bei der Sache, aber da unter den Schaulustigen auch zwei Polizisten waren, hatte ich gedacht, hätten die mich wohl gewarnt, wenn er ein Massenmörder gewesen wäre. Allerdings vergaß ich dabei, dass das ja China ist und die Polizisten sicher nichts gesagt hätten, solange sie gut genug dafür bezahlt werden. Mein Fahrer riss mir dann meinen Rucksack aus der Hand und ich folgte ihm, vorbei an den anderen Taxis zu seinem… getunten, babyblauen Seat Leon mit Chromfelgen und Unterbodenbeleuchtung. Ahhhhh! Am liebsten hätte ich ihn überredet, dass ich mal fahren darf, aber er sprach ja sowieso kein Englisch. Er lud mich und mein Gepäck ein und verschwand nochmal für fünf Minuten im Flughafengebäude. An und in dem Auto ähnelte nichts einem Taxi und ich wurde doch etwas nervös. Mein Pfefferspray war noch irgendwo im großen Rucksack, mein Messer auch, ich hatte keine Ahnung, ob er mich nun zum Hotel bringen würde. Als er zurückkam sind wir gestartet und schon nach kurzer Zeit hat er mich irgendwas gefragt, ob er einen anderen Weg nehmen könnte oder so. Da er nur chinesisch sprach wurde er richtig aggressiv, als ich ihn nicht verstand. Er fuhr in eine kleine Seitenstraße, weg von der Hauptstraße und meine Gedanken kreisten immer mehr darum, wie ich mich verteidigen könnte. Irgendwann kamen wir dann aber doch wieder auf so etwas, wie einen Highway. Erlaubt waren 120km/h, der Tacho zeigte 180km/h und ich dachte die ganze Zeit „Ich will fahren! Ich will fahren!“. Da wir uns nicht verständigen konnten wurde die Stille meist nur unterbrochen, wenn er über die wenigen anderen Verkehrsteilnehmer geschimpft hat. Irgendwann kamen wir dann mal in die Stadt, wo die erlaubten 60km/h auch wieder gekonnt ignoriert wurden. Irgendwann waren wir dann im Industriegebiet angekommen, wo sich mein Hotel befinden sollte. Vor einer Schranke setzte er mich ab und ich ging zum Pförtner, um ihm mein Zettelchen zu zeigen. Mein Fahrer leuchtete uns noch mit den Scheinwerfern den Weg, bis mich der Pförtner mit einer Taschenlampe durch zwei dunkle Gassen geführt hat zum Hoteleingang. Dort rief er an und der Hoteleigentümer kam aus dem Bett gekrochen, um mich reinzulassen. Froh, endlich ins Bett zu kommen, wurde meine Freude schnell unterbrochen, da ich feststellen musste, dass es keine Matratzen gab, sondern nur eine Holzplatte mit einer Decke drauf und einem mit Reis gefüllten Kissen, megaungemütlich.

Am nächsten Tag waren schon alle aus dem Zimmer verschwunden, bis ich aufwachte. Der Hunger meldete sich und da es im Hotel nichts gab, trieb es mich auf die Straße. Ich hatte ja schon gehört, dass Lanzhou eine der schmutzigsten Städte Chinas ist, aber man glaubt es halt wieder erst, wenn man es gesehen hat. Mal abgesehen von den üblichen Müllbergen, die überall in den Straßen liegen, war die ganze Stadt in braunen Staub gehüllt, in die Flüsse lief grünliche Brühe, aus dicken Schornsteinen stiegen bunter Qualm und Flammen, in den Nebengassen jagten verdreckte Hunde die vielen Ratten, die Fahrzeuge bliesen schwarzen Rauch in die Luft, die Leute verbrannten ihren Hausmüll am Straßenrand, alles hustete und jeder trug Mundschutz. Keine Ahnung, warum man uns in Europa was von Umweltschutz erzählt, wenn die Asiaten mit ihrem rücksichtslosen Verhalten die Umweltverschmutzung für die ganze Welt übernehmen. Ein Restaurant hab ich jedenfalls nicht gefunden, wo ich mal irgendwas hätte verstehen können, Straßenstände gab es nicht und nachdem ich die Nase voll hatte, von all den Chinesen, die mich anstarrten, als hätten sie noch nie zuvor einen Ausländer gesehen, bin ich mit einer Packung Milchbrötchen aus dem Supermarkt wieder zurück zum Hotel. Eine meiner Zimmernachbarinnen hab ich dann auch kennengelernt, aus Peking, war mal Au-pair in Amerika und konnte daher gut Englisch. Sie hat mir gleich ihre Email gegeben, wenn ich nach Peking komme, will sie mich herumführen. Bis auf zwei weitere Chinesen war das Hotel ziemlich leer, da Lanzhou nicht unbedingt ein Touristenziel ist.

Da man mir im Hotel keine Auskunft über die Abfahrtszeiten der Busse geben konnte und auch sonst keine Information über mein nächstes Reiseziel hatte, bin ich nächsten Morgen dann mit den Stadtbussen eine Stunde bis zum Busbahnhof gefahren. Den chinesischen Namen meines Zieles hatte ich mir schon herausgesucht und konnte somit am Ticketschalter klar machen, wo ich hin wollte. Mein Ticket bekam ich dann also ohne Schwierigkeiten für den normalen Preis, allerdings musste ich noch fünf Stunden warten. Auch hier war ich wieder die einzige Touristin weit und breit und ich vertiefte mich immer mehr in mein Buch, um das Starren zu ignorieren. Vor Abfahrt, hab ich mich mit Hilfe der Zeichen in meinem Reiseführer nochmal zur Toilette durchgefragt. Die kostenlosen, dreckigen Klos auf deutschen Autobahnen werde ich jetzt echt zu schätzen wissen, was man in China so zu sehen bekommt, ist echt unter aller Sau, da würde ich lieber in die Büsche pinkeln, als diese dreckigen, stinkigen, unbeschreiblich ekligen Löcher zu benutzen. Aber gut, der Busfahrer wartete schon auf mich, komischerweise sind hier die Busse überpünktlich. Und er sprach Englisch, da war ich ja schon sehr erstaunt, war aber Tibeter. Meine Sitznachbarin, ebenfalls Tibeterin, gab mir einen Kaugummi, wieder erstaunt. Der Mönch mir gegenüber lächelte…der blanke Wahnsinn, ich hab lange keinen mehr lächeln gesehen. Die Fahrt ging durch Mondlandschaft, Wüste, Orte mit Höhlenwohnungen, ziemlich verlassenen Gegenden. Vor kurzem noch eine achtstündige Fahrt über Schotterpisten, letztes Jahr wurde die Straße fertiggestellt, weshalb wir schon in 3Stunden dort waren. Aus dem Bus raus hab ich mich auf den Weg gemacht vom Busbahnhof im chinesischen Teil der Stadt zum Kloster im tibetischen Teil der Stadt zu laufen. 2km Fußmarsch, wo ich immer wieder andere Begleiter hatte. Tibeter, die mich mit gutem Englisch ausgefragt haben, Kinder, die mir freudig „hello!“ zugerufen haben, Mönche, die lächelnd, neben mir her gelaufen sind… das war, als wäre ich nach nur drei Stunden Fahrt in einer komplett anderen Welt gelandet, weit weg vom komischen China. Meine letzten Begleiter haben mir dann geholfen mich für eines der drei Hotels am Kloster zu entscheiden. Das Tara Guesthouse wird von Mönchen geleitet, es gibt englischsprechendes Personal und man wollte mir unbedingt erst das Zimmer zeigen, obwohl ich ja schonlängst keine großen Ansprüche mehr stelle. Für 2€ pro Nacht gab es ein Bett im Schlafsaal, für 3€ ein eigenes Zimmer. Also beschloss ich, ein bisschen mehr zu investieren, um zu vermeiden, wieder mit 7 nichtenglischsprechenden Chinesen auf dem Zimmer zu landen. Dafür, dass meine Frage nach heißem Wasser zu anfangs noch bejaht wurde, musste ich schnell feststellen, dass es nur eiskaltes Wasser gab, die Tür zur Dusche ließ sich nicht verschließen und es gab nur ein chinesisches Klo. Aber wie gesagt, ich bin ja recht anspruchslos geworden. Da momentan noch Nebensaison ist, da der Schnee gerade erst geschmolzen ist und die Temperaturen des Nachts noch unter null gehen, sind entsprechend wenig Touristen da. Hier mal einige Fakten, Labrang (auf 3000m Höhe gelegen) ist zwar eines der tibetischen Hauptklöster, wird von 1800 tibetischen Mönchen bewohnt (bevor China versucht hat den Buddhismus auszulöschen, waren es mal 8000), die Bewohner sprechen tibetisch (viele sprechen nicht ein Wort Chinesisch, obwohl die andere Hälfte der Stadt chinesisch ist) und man findet hier auch sonst alles, was tibetisch ist, aber es ist eben nicht in Tibet, was die Reise hierher wesentlich einfacher macht, da man keine Sondererlaubnis oder ähnliches benötigt. Allerdings gibt es jede Menge Polizeipräsenz, da alle Probleme, die es in Tibet gibt, auch hierher kommen. So zum Beispiel der tibetische Aufstand 2008, wo auch hier innerhalb kürzester Zeit alle Touristen rausgeschafft und die Stadt abgeriegelt wurde. China hat die Vorteile hier aber längst erkannt und schlachtet das Kloster nun zum Touristeneldorado aus. Überall auf der chinesischen Seite entstehen neue Hotelkomplexe, direkt neben dem Kloster wird ein riesiger Parkplatz gebaut mit neuem Busbahnhof, die nicht oder kaum vorhandene Kanalisation wird ausgebaut, für die Pagoden und Tempel werden Eintrittsgelder verlangt, die Hauptstraße ist gesäumt von Souvenirshops und auch die Bettler wurden schon darauf aufmerksam, dass sie nun mehr Geld erbetteln können. Ich bin also gerade noch rechtzeitig gekommen, um noch tibetische Tradition und Kultur zu erleben, in ein bis zwei Jahren wird wohl nichts mehr davon übrig bleiben, der chinesische Staat zerstört Stück für Stück alles, was das Land mal ausgemacht hat. Dafür, dass ich noch ein wenig vom ursprünglichen kennenlernen darf, muss ich jedoch auch in Kauf nehmen, dass sich Leute mitten auf die Straße hocken und ihr Geschäft verrichten. Die Nebengassen, Flussbetten und Bäche werden hier als Toiletten benutzt. Die Haufen, um die man herumlaufen muss sind meist nicht tierischen Ursprungs und man ist froh, wenn der bestialische Gestank menschlicher Exkremente von brennenden Müllhaufen überdeckt wird. Aber die meisten Leute hier kennen es nicht anders.

Die Menschen sind freundlich und aufgeschlossen, so überhaupt nicht chinesisch. Ich habe viele Einheimische kennengelernt, da man mich ständig auf einen Tee eingeladen oder eben auf der Straße angehalten hat. Ich habe viel erfahren über Kultur, Sprache, Tradition, Geschichte, über den Hass zu den Chinesen, über die Nomaden außerhalb der Stadt, über die, die rausgehen in die Welt, um mit über 18Jahren die erste Bildung zu genießen, über die, die ihr Leben hier leben und noch nie ein Buch in der Hand hielten, über die Mönche, die ihr Leben Buddha widmen, über die Bauern, die ihr Geld mit ihren Yaks und Ziegen verdienen, über die Strenggläubigen, die täglich den Pilgerweg auf blutigen Knien und Händen entlangrutschen und über die jungen Gläubigen, die halbherzig mit Handy am Ohr ein paar Gebetsmühlen am Pilgerweg drehen.

Ich habe nun eine Woche hier verbracht, hatte mal einen Gammeltag dabei, wo ich gehofft habe, ich könnte meine Erkältung endlich mal im Bett auskurieren. Ich bin zwei Mal im Schneckentempo den Pilgerweg um das Kloster entlang der Gebetsmühlen gegangen, hab ein paar Wanderungen in der Nähe des Klosters gemacht, hab eine Nacht bei den Nomaden in den Graslands verbracht, da man mich am Abend spontan dazu einlud, was allerdings aufgrund der Verständigungsprobleme, eisiger Kälte auf einer Strohmatte in einem Zelt ohne Strom, Wasser und Möbel, und zu vielen Yak Produkten, wohl eine einmalige Erfahrung bleiben wird, und ich habe eine längere Wanderung gemacht, die mich durch zwei Nomadendörfer geführt hat, entlang eines Flussbettes, in eine Schlucht mit Gletscher und dann ohne jeglichen Weg durch Geröll, Gestrüpp und Schneefelder, gerade den steilen Berghang nach oben auf einen Gipfel, den ich mir ausgeguckt habe (diese Art von Wegesuchens hab ich wohl geerbt ;-)). Genervt von China, geplagt von Heimweh und gebeutelt von der Erkältung, war ich an einem ziemlichen Tiefpunkt meiner Reise angekommen. Ich hatte schon meine Hostels angeschrieben und nach einem früheren Flug geschaut und wollte meinen Chinaaufenthalt so schnell, wie möglich hinter mich bringen und meine Reise so gut es ging verkürzen. Auf dem Gipfel angekommen, in absoluter Stille, unberührter Natur, ein paar Yaks und Ziegen auf den Berghängen nebenan, kleine buddhistische Stupas auf den anderen Gipfeln in der Nähe, Wiesen voller Edelweise( zwar verdorrt, aber egal), und dem Dach der Welt in Blickweite, schneebedeckte Berge in eisiger Höhe… einer der schönsten Augenblicke meiner Reise, der mir all die verlorengegangene Motivation in Sekunden zurückgebracht hat. Der Aufstieg war hart, da die dünne Luft alles ziemlich schwierig machte, nach fünf Metern klettern brauchte ich schon Pause. Auch oben konnte man den Anblick nicht lange genießen, der klirrend kalte Wind, die dünne Luft, der stechende Kopfschmerz, der schlimmer werdende Schwindel und die aus dem nichts kommenden schwarzen Wolken trieben mich schnell wieder zum Abstieg. Was bergauf schon schwierig war, war bergab kaum zu schaffen. Drei Mal bin ich mit kleinen Schlammlawinen ein paar Meter nach unten gerutscht, die Hände haben schon geblutet, von all den stacheligen Büschen, das Herz rutschte mir in die Hose, als mich mein Weg wieder durch Geröll an der Schlucht entlang führte und ich war irgendwie nicht mehr so ganz schwindelfrei, meine frischgewaschene Hose war vom vielen herumrobben saudreckig und die Knie wurden immer wackeliger, aber irgendwann kam ich dann mal wieder unten im Flussbett an. Da ich mal wieder niemandem Bescheid gegeben habe, wo ich bin, hatte ich mal wieder mehr Glück, als Verstand, dass nichts passiert ist. Auf dem Rückweg hab ich noch geholfen eine Ziegenherde von einem Dorf ins nächste zu treiben. Die Hirtin sprach kein Englisch, also genossen wir die Stille der Natur mit dem Blöken der Ziegen und dem Gesang der Hirtin. Da wusste ich nun wieder, warum ich auf Reisen bin und dass ich mich jetzt sicher nicht von den Chinesen unterkriegen lasse.

Hier habe ich sicher ein weiteres Kilo Gewicht verloren, da mein Magen meist mit dem Hunger klarkommen musste. Es gab zwar drei Restaurants, die ihre Speisekarte auch auf Englisch hatten und sogar mit „Western Food“ geworben haben, allerdings waren Chocolatepancakes, Brot mit Marmelade und Chickennuggets das einzige, was sie dafür hielten. Die ersten Tage hab ich mich mit chinesischen Essen zufrieden gegeben, irgendwann kam ich um Yak nicht mehr herum. Der Kaffee war mit Yakmilch, das Brot mit Yakbutter, Yaktee, Yakfleisch, alles mit Yak, es schmeckte alles ziemlich säuerlich, über das Aussehen möchte ich lieber nicht reden. Die Restaurants sind alte, verfallene Gebäude, mit kalten Räumen und kalten, ungemütlichen Holzbänken. Aber ich will mich ja nicht beschweren, ich wollte es ja ursprünglich. Ich hab dann mal die kleinen Supermärkte ausprobiert, da ich einen Wasserkocher im Zimmer hatte, konnte ich mir zumindest ab und an mal Instantnudeln kochen, es gab mal Reisriegel, Reiscracker, Reiskornflakes, Reisbrötchen, Reiswaffeln… wenn ich heimkomme, will ich die ersten Wochen nichts mehr von Reis wissen! Ich hatte auch wieder ein ungemütliches Reiskissen, aber zumindest diesmal eine Matratze. Ich hatte am Anfang nach einer „Laundry“ gefragt, was wieder bejaht wurde. Allerdings fand ich keine Waschmaschine vor, sondern zwei Schüsseln im Zimmer in denen ich mit der Hand und kaltem Wasser meine Wäsche gewaschen habe, aber gut, dass war ich ja noch von meinem Camperleben gewöhnt. Nur das Trocknen im Zimmer bei eisiger Kälte hat etwas länger gedauert. Heute hatten wir den ganzen Tag keinen Strom, also die ganze Stadt. Eigentlich sollte es um sieben wieder welchen geben, aber es war dann mittlerweile 11Uhr nachts. Meine Sachen hab ich mittlerweile im Dunkeln gepackt und duschen gehen konnte ich auch noch nicht, hab nur Haare gewaschen in einer Schüssel mit eiskaltem Wasser. Da man mir gestern an der Rezeption wegen den Bussen zurück nach Lanzhou nur einen um 14Uhr sagen konnte und heute hat man mir drei verschiedene genannt, zu anderen Zeiten, als sie im Internet stehen, bin ich sicherheitshalber selbst zum Busbahnhof gelaufen, wo man mir wieder völlig verschiedene Zeiten genannt hat, und habe mein Ticket für morgen früh zurück nach China schon gekauft.

Man kannte mich hier nun mittlerweile schon. Es war recht ungewohnt, dass mich Leute auf der Straße beim Namen angeredet haben. Die, die mich noch nicht kannten, wussten zumindest schon, dass ich das deutsche Mädchen bin. Es gibt hier also auch Dorftratsch, da bekommt man ja richtige Heimatgefühle. Aber dass man mich hier schon kennt, bedeutet, dass es Zeit wird, dass ich weiterkomme. Obwohl ich ja gern meine ganze Chinazeit hier verbringen würde, weit weg von China.

 

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