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Kung Fu Fighting

Am Dienstagabend war ich auf Essenssuche noch in der Stadt unterwegs. Alle Straßen waren gesäumt mit Bäumen voller kleiner roter Laternen, die „Foodstreet“ lud mit hunderten verschiedener Fressbuden zum Verweilen ein und auf den großen Plätzen wurde zu chinesischen Liedern getanzt. Zu essen gab es nicht nur richtig gutes Fladenbrot, sondern auch sämtliche Arten von Fleisch und Fisch am Holzspieß im Fett gebraten und einen Stand mit Süßigkeiten, die so gut waren (und ganz ohne Reis), dass ich schwören könnte, die wurden von Europa importiert. Aber auch sonst hat man hier alles bekommen können, von rohen Tintenfischarmen, über irgendwelche gebratenen Herzen, Tiergedärme, Hühnerfüße, Schweineohren (kein Blätterteiggebäck), komische schwarze Würmer, und und und. Getanzt haben hunderte Menschen den gleichen Tanz in Reihen aufgestellt. Keine Ahnung, ob die sich jeden Abend dafür treffen, so gut, wie das geklappt hat, das war dann wohl jedenfalls Line Dance auf Chinesisch. Die Stadt war noch belebter, als tagsüber, die Fitnessgeräte waren wieder alle besetzt, die Kinder bis zum späten Abend auf den Spielplätzen und aus den riesigen Bildschirmen an jeder Ecke strömte chinesische Propaganda.

Mein Hostelzimmer musste ich mir wieder mit drei chinesischen Mädels teilen, von denen keine englisch sprach, also hielt ich mich meist im Restaurant auf, wo allerdings auch niemand englisch sprach. Also habe ich mich meiner Reiseplanung gewidmet. Dafür, dass ich monatelang vergeblich danach gesucht habe, habe ich nun eine Agentur gefunden, über die ich meine Tickets für die russische Bahn online buchen kann. Hat auch alles super schnell geklappt und nun hab ich meine Tickets von Irkutsk nach Jekaterinburg und von Jekaterinburg nach Moskau online für einen durchaus fairen Preis bekommen und brauche mir um die Streckenabschnitte keine Gedanken mehr zu machen. Lesen kann ich die Tickets nun auch, genauso, wie den Zettel, den mit die russische Botschaft in meinen Reisepass geklebt hat, wo ich vorher nicht wusste, dass das meine Einladung ist. Hab nämlich nun, anstatt später zu jammern, angefangen russisch zu lernen. Ich kann es jetzt lesen und viele Wörter klingen ähnlich, also komm ich dort schon ein bisschen klar und bis ich dort bin, reichen meine Vokabeln sicher auch schon für einen Smalltalk aus.

Dafür, dass das so leicht war, hab ich nun Schwierigkeiten überhaupt aus China heraus zu kommen. Ich war gleich am Dienstag mit meinem Zettelchen losgelaufen, auf dem stand, wo ich hin will, welches Datum, welcher Zug. Natürlich sprach die pampige alte Chinesin am Ticketschalter keinen Brocken englisch und die 10 Schaulustigen ebenfalls nicht. Sie pfefferte meinen Block wieder zurück und machte mir lautstark deutlich, dass ich kein Ticket bekomme. Ok, also bin ich wieder ins Hostel, hab es mir von den Mädels dort in Chinesisch aufschreiben lassen und bin am nächsten Tag wieder hin. Natürlich war es wieder die pampige alte Hexe und sie hat mich schon angeschrien, als sie mich gesehen hat, dass ich kein Ticket bekomme. Der Ticketschalter war in einem Hotel untergebracht und die Frauen an der Rezeption haben mich zu sich gerufen, auch sie konnten kein Englisch, und haben jemanden angerufen, der englisch sprach und dann als Übersetzer gedient hat. Allerdings hab ich nicht ganz begriffen, was noch übersetzt werden musste, da ich ja schon alles in Chinesisch aufgeschrieben hatte. Da meine Strecke zwei verschiedene Züge beinhaltete, hab ich dann mal nach langem hin und her herausgefunden, dass der zweite Zug ausverkauft war. Ok, warum haben sie das nicht gleich gesagt? Nach Alternativen wollte ich gar nicht erst fragen. Als ich schon eine Straße vom Hotel entfernt war, kam mir eine Hotelangestellte nachgerannt und sagte mir, dass ich nun doch ein Zugticket haben könnte. Hä? Sie redete mit der Hexe und nun konnte sie mir auf einmal die Züge auf dem Computer zeigen und wir kamen überein. Für den zweiten Zug konnte ich mir noch aussuchen, ob ich das untere, mittlere oder obere Bett haben wöllte und als ich dachte, sie bearbeitet es, wurde sie auf einmal wieder wütend und die Hotelangestellte machten mir mit ihrem Übersetzer am Telefon klar, dass ich nur noch einen Stehplatz haben könnte. Hä? Ich hab gerade noch gezeigt bekommen, das noch was an die 23 Betten frei waren? Und einen Stehplatz für eine achtstündige Nachtfahrt? Nein Danke! Voll die Verarschung hier. Das nenne ich mal Ausländerfeindlich! Zurück im Hostel habe ich dann weiter gegoogled und habe rausgefunden, dass da ein Bus ist an die mongolische Grenze. Auch wenn ich nach der letzten chinesischen Nachtbusfahrt nicht sonderlich begeistert war, sah ich darin meine Chance hier wegzukommen. Also hab ich die Mädels an der Rezeption gebeten, bei der Busgesellschaft anzurufen… der Bus fährt nur einmal die Woche und der Tag passt gar nicht in meine Planung. Dann hab ich nach einem Flieger gesucht, hab einen Flug für 230€ gefunden, wäre dann der teuerste Flug auf meiner Reise, aber noch billiger, als die Transmongolian und besser, als in China festzustecken. Wenn ich hier nämlich nicht in der letzten Aprilwoche rauskomme, gerate ich in die erste Maiwoche, in der ganz China Urlaub hat, wo man also keinerlei Unterkunft, Transport oder einen freien Flecken Erde mehr hier findet. Und dafür, dass die Städte hier so schon hoffnungslos überfüllt sind, soll es dann noch tausend Mal schlimmer sein, kaum vorzustellen! Dann habe ich noch drei verschiedene Agenturen angeschrieben, um nun doch noch ein Ticket für die Transmongolian direkt nach Ulan Bator zu bekommen. Eigentlich wollte ich das vermeiden, da das der teuerste Abschnitt ist, aber da nur 20€ teurer als der Flug, ist es auch der schönste Abschnitt der gesamten Bahnstrecke, entlang der chinesischen Mauer und durch die Wüste Gobi bei Tageslicht. Also bete ich jetzt dafür, dass ich noch ein Ticket bekomme, andernfalls, buche ich den nächsten Flieger nach Frankfurt, anstatt weiter bei den Chinesen fest zu stecken, insbesondere, da am 30.04. mein Visum ausläuft.

Ok, soviel zu meiner verzweifelten Suche nach einem Weg raus aus diesem Land. Gestern startete meine Tour nun Frühs um acht Uhr vorm Hotel. Es sollte ein russisches Pärchen mit mir kommen… sie waren dunkelbraun, trugen Sari und hatten einen Punkt auf der Stirn. Keine Ahnung, was man hier für russisch hält, aber bei den beiden ging es gar nicht indischer. Vor der Tür stand ein schöner neuer Mercedes, mit Fahrer und unsere Tourguide. Unsere Augen leuchteten auf und wir waren positiv überrascht, was wir für 27€ für eine tolle Tour bekommen. Auf der Fahrt stellten wir fest, dass unser Guide nur ein paar wenige Brocken englisch konnte und nach zehn Minuten warteten wir an einer Tankstelle und wussten nicht warum. Dann kam der Reisebus, voll besetzt mit Chinesen. Unser Optimismus war schnell dahin. Keiner im Bus sprach englisch, alle starrten uns an und unser Guide erzählte tausend interessante Dinge… auf Chinesisch. Die zweistündige Busfahrt führte uns in die Berge, wo wir auf einem Parkplatz abgesetzt wurden, der ca. 200 anderen Reisebussen Platz bietet. Wir waren die ganze Zeit auf die Flagge unseres Reiseführers konzentriert, da dort tauuuuuusende von Touristen waren und wir unsere Reisegruppe nicht auseinander halten konnten von den vielen anderen gleichaussehenden Chinesen. Was passiert und wohin wir gehen, konnten wir nicht verstehen, wir verstanden nur chinesisch. Es war gut zu wissen, dass die Inder hier so aufgeschmissen sind, wie ich und es war schön, wenigstens sie dabei gehabt zu haben. Hema, die Frau, erzählte mir, wie schockiert sie über das Verhalten der Chinesen ist. Indien ist ja nun wirklich kein sauberes Land, aber sie ist empört, wie sie hier überall lautstark hinrotzen, wie sie überall rauchen, wie sie sie anstarren und mit Fingern auf sie zeigen… jaja, das kenn ich nur allzu gut. Und nun waren wir zwei Inder und eine Deutsche unter tausenden Chinesen, also waren wir gemeinsam der Mittelpunkt und gemeinsam auf einigen chinesischen Urlaubsbildern abgelichtet worden. Wir hatten uns irgendwann mal den Weg durchs Gedränge gesucht zur Kung Fu Schule. Der absolute Wahnsinn! Dafür, dass ich Jackie Chan Filme hasse und das immer für zu übertrieben gehalten hab, wurde ich hier eines besseren belehrt. Das sind keine Jungs, das sind Waffen! Der absolute Hammer, was die hier praktizieren. Man konnte auf einem großen Platz den vielen Schülern beim Training zusehen und dann gab es für die Touristen noch eine Show, die aber ziemlich verkitscht war. Danach wurde auch schon weitergehetzt, zum Shaolinkloster, dem Geburtsort vom Kung Fu und Drehort vieler großer Filme. Dort hatten wir zwanzig Minuten alleine, unser Führer hat uns ja eh nichts genutzt. Die beiden haben mich die ganze Zeit bemuttert und hatten Angst, dass ich verloren gehe. Danach wurde weitergehetzt zum Pagodenwald, einem großen Mönchsfriedhof. Es hatte mittlerweile angefangen, in Strömen zu regnen, was bei den rücksichtslosen Chinesen mit tausenden von Regenschirmen nicht unbedingt spaßig ist. Danach wurden wir in eine Schlange gestellt und mussten auf einen Shuttlebus zurück zum Parkplatz warten. Da es immer noch regnete brach eine regelrechte Massenpanik aus, da jeder unter den überdachten Teil der Warteschlange kommen wollte. Es wurde gequetscht, gebrüllt und geweint bis zum geht nicht mehr. Ein kleiner Junge wurde überrannt, einer Frau wurde der Arm eingequetscht und mich haben die zwei Inder schützend in ihre Mitte genommen. Absolut krank, diese Chinesen. Als wir dranwaren, war genau dasselbe Gequetsche, um in den Bus zu kommen. Warum? Wenn man nicht reinkam, kam eine Minute später der nächste. Haben die hier denn überhaupt Verstand? Da unsere Reisegruppe mittlerweile total verstreut war, wartete unser Führer auf uns und brachte uns zurück zum Reisebus, wo es in den nächsten Ort ging zum Mittagessen. Es war

ein großer Saal mit großen runden Tischen und die Chinesen hatten durch ihr Gedrängel schnell die Tische besetzt. Wir setzten uns an einen Extratisch. Die beiden Inder waren jedoch Vegetarier und bekamen Extraessen und da ich nichts gesagt habe, dass ich kein Fleisch esse, setzte man mich an einen der chinesischen Tische, wo keiner englisch sprach und mich alle wieder anstarrten und über mich redeten. Super! In der Mitte des Tisches war eine Drehplatte, auf die nun Reis, Hefeklöße, Suppe, Fisch und 10verschiedene Teller Gemüse gestellt wurde. Jeder hatte seine Schüssel, die mit Reis gefüllt war und dann holte man sich von dem Rest, immer Stück für Stück herunter. Man wollte mir noch Besteck besorgen, wo ich allerdings verdeutlichte, dass mir die Stäbchen reichen. Sie waren ganz erstaunt, dass ich damit umgehen konnte. Als ich fertig war, rettete mich Hema von den chinesischen Weibern und wir aßen draußen noch Ananas, wir waren alle nicht sonderlich begeistert von Essen. Der Bus brachte uns dann weiter in eine Porzellanfabrik, in der die Chinesen wie wild einkauften, während wir uns draußen die Zeit vertrieben. Natürlich haben wir auch Adressen ausgetauscht und ich soll unbedingt bei ihnen übernachten, wenn ich in Indien bin. Am besten noch dieses Jahr. Ha! Für dieses Jahr hab ich glaube ich erstmal genug von Asien. Mich brachte dann ein überfüllter Minibus zurück zum Hostel, während die beiden weiter zum Bahnhof sind.

Heute wollte ich dann zum vermuteten Blumenfest. Allerdings gibt’s hier keine Blumen zu bestaunen, sondern die schön rosa blühenden Peonienbäume. Als ich an einem dieser Parks ankam, waren da wieder tausende chinesischer Touristen und ich war gleich wieder im nächsten Bus zurück in die Stadt. Des Weiteren wollten die Eintritt dafür haben, also habe ich darauf verzichtet und den Tag mit Kaffeetrinken verbracht. Mein Zug fährt um elf heut Abend und mir graut davor, da ich ja nur noch einen Sitzplatz ergattern konnte. Auch wenn die letzte Zugfahrt gut war, hab ich langsam keine Lust mehr auf überfüllte Transportmittel und qualmende, rotzende Chinesen.

 

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