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Mit der Transsib in die Mongolei

Das letzte Mal hatte ich keine Zeit mehr, um fertig zu schreiben, sonst hättet ihr noch mehr lesen müssen. Hier nochmal was zu Peking: Mittags hatte ich ja deutsches Essen, was ich seit langem mal wieder mit Besteck essen musste, war ganz schön ungewohnt. Und abends gab es dann dafür die ultimative Reifeprüfung im Stäbchenessen. Ich war ja nun Pekingente essen, eine halbe Ente hab ich bestellt, weniger ging nicht, und eine halbe Ente hab ich auf den Tisch gestellt bekommen, mit dem Koch, der sie für mich zerlegt hat. Das wichtigste an Pekingente war ja nun die dicke, knusprige Haut, von der ich als erstes Scheibchen geschnitten bekommen hab, die ich dann in Zucker dippen sollte, um sie zu essen. Dann gab es das Fleisch in dünne Scheiben geschnitten, dazu hauchdünne Pfannkuchen, die ich mit Stäbchen auf den Teller ziehen musste, dann kamen ein paar Scheiben Ente darauf, dann noch in Soße getauchte Gurkenstreifen und dann wurde das ganze zusammengefaltet, alles mit Stäbchen. Der Kellner machte mir alles vor und beobachtete dann, wie ich mich mit den Stäbchen durchschlage. Auch am nächsten Tag gab es noch eine Prüfung, winzig kleine Stückchen Gemüse, die man einzeln mit den Stäbchen aufpicken musste. Vor wenigen Wochen noch, hätte ich dabei jämmerlich versagt, nun bin ich schon Stäbchenprofi.

Ich hab gehört, dass mein letzter Blog so rüberkam, als ob ich China mögen würde. Das will ich hier mal klar stellen. Das Land an sich, ist ganz schön, wenn man über die Müllberge und den Smog hinweg sieht. Aber die Menschen sind, um es in ein paar Worten zu beschreiben, respektlos, rücksichtslos, egoistisch, unfreundlich, unhöflich und ohne jegliche Manieren. Und die Sprache ist nervig, laut und aggressiv. Also nein, ich mag China nicht. Wenn ich zurückkommen würde, dann nur nach Tibet, da das eine ganz andere Welt ist. Hier im Hostel sind wir zu 90% Chinaflüchtlinge und die restlichen 10% haben es noch vor sich. Ich hab noch keinen getroffen, der sich nicht über die Menschen beschwert hat, bin also nicht die Einzige.

Nun aber zum eigentlichen. Am Mittwoch bin ich dann mit dem Bus zum Bahnhof gefahren, hab mich zum Bahnsteig durchgefragt und war ganz erstaunt, dass man dort Schlange stand. Der Grund dafür war, dass es hauptsächlich Western people waren(wie sagt man denn auf Deutsch zu uns? Halt Leute, die nicht aus Asien kommen). Einer nach dem anderen ist dann brav durch den Ticketschalter gegangen und der Zug stand schon eine halbe Stunde vor Abfahrt am Bahnsteig. Uhhhh, die Aufregung stieg. Da stand ich nun, vor der legendären Transsibirischen Eisenbahn, DEM Ereignis meiner Asienreise, dem Ereignis, das mir geholfen hat, die schlimme Zeit in China zu überstehen. Ich war im Wagon 13 untergebracht, wo mich der Schaffner schon mit einem Lächeln und „Hello!“ begrüßt hat. Der Wagon war nur zur Hälfte belegt und ich hatte ein ganzes Viererabteil für mich allein. Keine nervigen Chinesen, keine belegten Gepäckfächer, keine Spucknäpfe. Nachdem ich meine Sachen verstaut habe, bin ich nochmal raus, um Bilder zu machen, als ich auch schon wieder rein gescheucht wurde. Die Transsib ist äußerst pünktlich, die fährt genau nach Plan ab, ob nun alle drin sind oder nicht, ist dabei egal. Wir sind dann also langsam aus dem Bahnhof von Peking rausgerattert, unter staunenden Blicken der Leute, die an den Bahngleisen unterwegs waren. Die Transsib scheint wohl immer noch ein Hingucker zu sein, obwohl sie ja mittlerweile zweimal die Woche fährt. Vom Schaffner gab es dann frische Bettwäsche und Essensgutscheine. Da ich die letzten Nächte nicht wirklich viel geschlafen hatte, hab ich mich erstmal für ein Nickerchen hingelegt. Um halb zwölf wurde Mittagessen serviert, aber scheinbar gab es die Gutscheine nicht für jeden, sodass der Speisewagen nicht sonderlich voll war. Danach ging es zurück in mein Abteil, die Gegend beobachten. Es ging erst durch schöne, kaum bewohnte Berglandschaften Chinas, bevor die Wüste begann. Uuuuuunendlich viel nichts, kam mir fast vor, wie in Australien, nur dass es ziemlich langweilig war, wenn man nicht mit dem Geländewagen selbst durchfahren kann. Es gab zwischendurch mal ein paar kleine Haltestellen, bei denen aber immer noch niemand in mein Abteil kam. Den ganzen Tag hab ich eine Tasse Tee nach der anderen getrunken. Um fünf gab es dann kostenloses Abendessen, wieder nur chinesisch, Reis mit Gemüse. Da saß ich mit zwei Lehrerinnen aus London zusammen, die lange Zeit in Mannheim und Frankfurt unterrichtet haben. Nun sind sie in Rente und sind mal eben von London über Köln nach Moskau gefahren, weiter nach Peking und wieder zurück, in zwei Monaten. Ein Amerikaner war dabei, der sich wirklich die gesamte Strecke von Peking nach Moskau antut, was heißt, eine komplette Woche im Zug, ohne irgendwas von all den schönen Haltestellen zu sehen.

Um acht Uhr abends sind wir dann an der Grenze angekommen. Polizei kam in den Zug, um das Gepäck zu kontrollieren, wobei sie nicht daran interessiert waren, dass ich meinen Rucksack öffne. Dann wurden die Reisepässe eingesammelt und dann geschah nichts mehr. Irgendwann hab ich meinen Schaffner (jeder Waggon hat hier einen eigenen) gefunden und gefragt, ob ich raus kann, da die Toiletten geschlossen waren. Ja, ich sollte nur in zwei Stunden wieder zurück sein. Also bin ich raus und zum Bahnhof gelaufen, als die eine Hälfte des Zuges mit meinen Sachen wegrollte. In der Mitte waren drei Waggons, die nur bis zur Grenze fuhren, sodass die abgekoppelt wurden. Keine Ahnung, warum man die nicht einfach hinten dran gehangen hat. Dann wurden die Zughälften wieder zusammen gekoppelt und dann rollte der gesamte Zug weg, um die Räder(sagt man beim Zug Räder?) zu wechseln. In der Mongolei werden, wie in Russland, schmalere Gleise benutzt, weshalb man an den Grenzübergängen wechseln muss. Im Bahnhof gab es außer einem kleinen Supermarkt nichts Interessantes und wir wollten gern wieder in den Zug, aber der war ja nun weg. Also mussten wir im kalten Warteraum warten, man konnte nicht mal raus, da die Türen verschlossen wurden. Wir warteten und warteten und warteten, jeder wollte nur noch ins Bett. Wir warteten drei Stunden, bis der Zug endlich wiederkam. Nun wartete auch ein ganzer Haufen Chinesen mit tausend Koffern, die zusteigen wollten, sodass es wieder ein riesiges Gedränge gab. Ich hatte schon Angst, dass ich noch drei Chinesen in mein Abteil bekomme, aber ich konnte die Nacht alleine verbringen. Wir durften nun wieder in den Zug und mussten noch eine Stunde warten, bis wir unsere Reisepässe wiederhatten. Danach wurde ein paar Kilometer weitergefahren und wir hielten auf der Mongolischen Seite. Die Polizisten, die dann reinkamen, waren ganz schön furchterregend mit den dicken Stiefeln und den Pelzmützen. Man kontrollierte wieder das Gepäck und sammelte die Pässe ein. Diesmal trieb mich aber nichts nach draußen, da ich lieber im warmen Bett blieb. Eine Hälfte des Zuges wurde wieder abgekoppelt, der chinesische Speisewagen wurde gegen einen mongolischen ausgetauscht und wir warteten weitere eineinhalb Stunden auf unsere Pässe. Es war mittlerweile halb zwei und ich schlief schnell ein, nachdem der letzte Polizist seinen Job getan hat.

Am nächsten Morgen gab es immer noch dasselbe zu sehen…Wüste. Mein Frühstück bestand aus dänischen Keksen und Tee. Dann hab ich mich erstmal damit beschäftigt, wo ich unterkommen will. Eine Stunde vor Ankunft musste ich schon meine Bettwäsche hergeben, obwohl es schweinekalt war. Draußen war am frühen Morgen ein Sandsturm, sodass man kaum atmen, geschweige denn weit sehen konnte, da der Sand auch im Zug war und eine dicke Staubschicht auf alles legte. Später am Morgen kamen wir in einen Schneesturm, der die Fahrt sehr verlangsamte und die Kälte in den Zug brachte. Ich hatte ein französisches Pärchen kennengelernt, mit dem ich ein Taxi in die Stadt teilen wollte. Wir kamen um halb zwei in Ulan Bator an, nebenbei, das ist die kälteste Hauptstadt der Welt. Am Bahnhof warteten schon Hostelbesitzer und wir fanden das Hostel, dass wir sowieso ausprobieren wollten, also wurden wir gleich kostenlos dahin transportiert. Wir bekamen Tee serviert, haben eingecheckt, ist ein nettes Hostel, und dann haben wir uns mit den Touren beschäftigt. Am Abend haben alle Chinaflüchtlinge zusammengesessen und über China gelästert und über anderes geredet. Eine Menge interessanter Leute, da es in die Mongolei wohl doch eher die Abenteurer treibt.

Gestern war Sightseeing angesagt, allerdings gibt es hier nichts zu sehen, also war ich nur auf dem Süühkbaatar-Platz und dann war ich fertig. Allerdings ist die Mongolei gaaaaaanz anders, als China. Je weiter ich in den Norden komme, desto größere Augen haben die Einheimischen und sie sind weißer. Der Baustil ist mehr sowjetisch, als asiatisch. Der Straßenverkehr ist schon normaler, hier ist zwar irgendwie immer Stau, aber Ampeln werden hier beachtet, es wird nicht mehr ganz so viel gehupt, die Leute bremsen auch mal, um einen über die Straße zu lassen, wenn sie sowieso nicht mehr weiterkommen, Zebrastreifen sind zwar auch nur Zierde, aber es ist auf jeden Fall schon weniger gefährlich. Die Leute starren nicht mehr, es wird nicht mehr so viel herumgerotzt, man sieht Menschen lachen, man findet fast überall englisch sprechende Leute, die Supermärkte sind voll mit Gut & Günstig- und anderen deutschen Produkten, es gibt Schwarzbrot, Fitnessstudios sind wieder kostenpflichtig indoor, die Preise sind wieder höher, man hört ständig „Hi!“ auf der Straße oder Kinder winken einem lächelnd zu, beim Einkaufen oder Essen gehen wird man wieder freundlich behandelt, die Leute wollen ständig Witze machen, es gibt kein Gedrängel und Schubsen, die Leute gehen respektvoll miteinander um,… ich könnte jetzt noch tausend Sachen aufzählen. Soll einfach heißen: ich mag China nicht!

Gestern Abend haben wir dann wieder zusammen gesessen. Es gibt noch nicht viele Touristen in dieser Jahreszeit, sodass fast alle hier sind. Am Morgen kamen noch zwei weitere Chinaflüchtlinge an, die ihre geplante Wanderung entlang der großen Mauer nun gegen die Mongolei eingetauscht haben. Wir haben wieder über unsere Tour diskutiert, weil wir immer noch nicht ganz einig sind.

Heute Mittag entscheidet sich nun, wann wir, wohin starten, aber es wird auf jeden Fall eine Abenteuertour. Eine Menge Wandern, in den Gers der Einheimischen schlafen, an Flüssen Campen, Pferdetouren, zwei Wochen ohne Wäsche waschen, ohne Dusche, Kochen überm Lagerfeuer, eine Menge Schnee und eisige Kälte,… eigentlich war das in meinem Budget gar nicht eingeplant, aber wer weiß, vielleicht bin ich nur einmal in meinem Leben hier, also scheiß auf das Geld. Also, falls ihr zwei Wochen nichts mehr von mir hört, wisst ihr, dass ich irgendwo in der Wildnis der Mongolei unterwegs bin.

Nachher geht’s erstmal auf den Schwarzmarkt, wo ich hoffentlich noch Mütze, Handschuhe, lange Unterwäsche, usw. finde, da ich die Kälte hier doch etwas unterschätzt habe.

Ich hab meine Lust am Reisen wieder! Ich bin wieder glücklich! Ich verlasse wieder gerne mein Bett. Ich bin raus aus China!!! 

 

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