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Wüstendurchquerung - Teil 3

Bei Tagesanbruch sah ich dann auch, dass der eigentliche Campingplatz ein Stueck weiter weg war, schoen gelegen hinter einer Sandduene neben einem trockenen Flussbett. Naja, meine Nacht war ziemlich windig und wackelig. Das hatte ich davon, dass ich nichts sehe im Dunkeln. Ich fuhr den restlichen Weg nach Birdsville. Ein paar hundert Kilometer vorher tauchten schon die Schilder auf. Man fuhr durch unendliche Weiten, mit nichts ausser Wueste, und das einzige, was man sah, war die Werbung fuer eine Baeckerei. Eine gute Marketing-Strategie, spaetestens nach dem fuenften Schild hatte jeder Vorbeifahrender Hunger auf einen Pie. Also war auch fuer mich der erste Stop in der kleinen verschlafenen Stadt die Baeckerei. Man konnte alles erdenkliche kaufen, Kamel-Pie, Emu-Pie, Kaenguruh-Pie,... ich entschied mich fuer einen stinknormalen Pie mit Rindsgulasch. Waehrend ich dort sass und meine Mittagspause machte, lernte ich auch den Besitzer der Baeckerei kennen. Er ist auch Chef der Tourkompanie und hat 5 Gelaendefahrzeuge, die Touristen fuer jede Menge Geld durch die beruehmt-beruechtigte Simson-Wueste chauffieren. Ich sollte unbedingt zum Sonnenuntergang auf die “Big Red” fahren, die groesste Sandduene dieser Wueste. Allerdings waere das 70km hin und zurueck gewesen und man haette die Luft aus den Reifen lassen muessen, nur um durch den tiefen, weichen Sand die letzten Meter auf die Duene zu kommen. Das war es mir dann doch nicht wert. Sandduenen hab ich schon genug erklommen. Ausserdem wollte ich nicht solange warten, ich wollte weiter.

Ich fuellte den Tank mit dem bisher teuersten Diesel (umgerechnet 1.30Euro pro Liter), brachte meine Reifen nach all den Sand-und Schotterpisten wieder auf normalen Luftdruck und sah, dass einer meiner Flutscheinwerfer abgefallen ist. Mhhhh... war wohl zu viel Umhergeschuettel. Er hing noch an den Kabeln, aber die Schweissnaht war komplett gebrochen. Erstmal versuchte ich es selbst, mit Kabelbinder und Klebeband. Aber ich hatte weitere 3000km vor mir, das war mir zu riskant. An der Tankstelle war ein Mechaniker, den ich nach Hilfe fragte. Er rief seinen Sohn an, der hatte die Geraete und gerade Langeweile. Also fuhr ich raus ins Gewerbegebiet, wo ich in einer grossen Lagerhalle schon erwartet wurde. 10 Minuten spaeter war mein Scheinwerfer wieder angeschweisst und er bekam die vereinbarten $50 von mir.

Ich machte mich auf den Weg raus aus der Stadt, schaffte es vor Einbruch der Dunkelheit noch bis zu einer Ruine am Strassenrand. Ich genoss mein Bier unter den Nestern (oder vielmehr Hoehlen) von lauter kleinen Zebrafinken. Man konnte den Dingos zuhoeren, waehrend man versuchte, 5000 Fliegen abzuwaehren.

Hier mal eine kleine Geschichte nebenbei. In der Gegend gibt es / gab es eine “Stadt”, die irgendwann nur noch einen Bewohner uebrig hatte. Den Hotelbesitzer. Einige hundert Kilometer entfernt von jeglicher Zivilisation, machte sich dieser Bewohner irgendwann auf den Weg, Bier zu holen fuer seine Kneipe. Sein Truck ging kaputt auf dem Birdsville Track, der damals noch nicht wirklich touristisch war. Er sass dort fest, fuer 18 Wochen, mit seiner Lkw-Ladung, 8 Tonnen Bier. Er ueberlebte, war aber danach wahrscheinlich starker Alkoholiker. Ende 1997 schloss auch das Hotel und der alte Mann lebte immer noch alleine in dieser “Stadt”. Als er starb, merkte es niemand und es dauerte einige Jahre, bis man der “Stadt” die Bezeichnung “Stadt” abnahm, da eben schon lange niemand mehr dort lebte. So etwas kann wahrscheinlich nur in Australien passieren.

Am naechsten Morgen stand ein Dingo neben meinem Auto. Gefaehrliche Sache, dass sie ja wirklich aussehen, wie niedliche Hunde. Ich startete nach dem Fruehstueck und kam nicht weit, bevor ich etwas ungewoehnliches auf der Strasse sah. Erst dachte ich, es waere eine Kuh, aber es bewegte sich komisch. Als ich naeher kam, sah ich, dass es ein Fussgaenger war. Um das nochmal zu verdeutlichen... ich war gut 200km entfernt von jeglichen Ortschaften. Und da war er nun, ein Brite in seinen 50ern, ein Geschaeftsmann, der sich ein halbes Jahr Auszeit genommen hat, um einen kleinen Wagen von Sued nach Nord 5000km durch Australien zu schieben. Buecher habe ich schon einige darueber gelesen, aber nun wirklich so einen Menschen persoenlich kennenzulernen... wow! Gaensehaut! Ich brauchte nicht weiter zu ueberlegen, ich hielt natuerlich an, um Hallo zu sagen. Auch wenn ich viel zu faul bin, so weit zu laufen, habe ich den groessten Respekt vor solchen Leuten. Ich rollte gut eine halbe Stunde neben ihm her, um Reiseerlebnisse auszutauschen. Ich bot ihm Wasser an und Kaffee und alles moegliche, aber er hatte alles, wollte nicht noch mehr Gewicht schleppen/ schieben. Unsere Wege trennten sich irgendwann wieder, aber seine Geschichte beschaeftigte mich noch eine ganze Weile.

Es war ein windiger Tag. Extrem windig. Ich kam auf einen Aussichtspunkt auf einem Huegel. Ich konnte mich kaum aufrecht halten, so stark war der Wind. Allerdings gab es eine Belohnung dafuer. Ich fand einen 10$ Schein. Wahrscheinlich war der Wind auch fuer jemand anders zu stark. Ich verbrachte fast eine Stunde auf dem Huegel. Es gab Tafeln, auf denen die Geschichte der Post beschrieben war. Wie man damals ohne Strassen Briefe von A nach B gebracht hat, ueber hunderte von Kilometern. Manch ein Postbote war 3Wochen am Stueck unterwegs, nur um 5 Leute zu beliefern. Beschrieben war auch die Geschichte des “Cattlekings” Kidney, also dem Vieh-Koenig, der sich ueber die Jahre ein riesiges Emporium aufbaute mit seinem Viehhandel. Heute ist die Kidney-Familie eine der grossen millionenschweren “Bauernfamilien”, mit Grundstuecken ueberall.

Ich kam nach Boulia, einem weiteren verschlafenen kleinen Ort. Beruehmt nur durch sein Min-Min-Licht, eine Geistererscheinung, die recht gut aufgebauscht wird. Ich machte den Tank nochmal randvoll, da ich die naechsten 1100km damit auskommen musste. Vor mir lag der Plenty Highway. Eine uuuuuunbeschreiblich schlechte Schotterpiste mit jeder Menge “Bulldust”, also Loechern mit extrem feinen Sand, die einen jederzeit aus der Bahn werfen konnten. Und zu sehen gab es nicht wirklich viel. Eine Station auf dem Weg hatte ihr Muster, also konnte man tausende von Rinder sehen, jede Menge Cowboys und staendig fuhren voll beladene Lkws die Strasse rauf und runter.

Ein interessantes Phaenomen, das ich bereits mehrmals beobachtet habe: auf einer solch abgelegenen Strecke ohne Toiletten, muss ein jeder frueher oder spaeter einem gewissen Beduerfnis nachgehen. Also wird das Auto irgendwo geparkt, man wartet, dass niemand kommt und verkruemelt sich irgendwo ins Gebuesch. So die Theorie. Bei Maennern scheint das allerdings anders zu sein. Mitten auf der Strasse stand ein Auto mit Warnblinklicht an. Also ist wohl mein erster Gedanke, dass ich anhalte und frage, ob Hilfe gebraucht wird. Als ich allerdings naeher kam, sah ich einen Herren aufspringen, mit herunter gelassener Hose und der Klopapierrolle in der Hand und er rannte ein paar Meter weiter, um sich im Gebuesch zu verstecken. Warum?! Auffaelliger geht es wohl kaum noch. Ich konnte mich nur darueber wundern und fuhr weiter. Nachdem ich gehupt habe. Nur um ihm nochmal klar zu machen, dass ich ihn gesehen habe.

Ich uebernachtete an einem Fluss und widmete mich am naechsten Morgen fuer ein paar Stunden meiner Windschutzscheibe, die bereits 17 Loecher abbekommen hat. Die Fliegen waren unertraeglich und trieben mich zu hunderten in den Wahnsinn. Waehrend ich da noch am werkeln war, sah ich den Mann vorbei fahren, den ich am Vortag in Boulia an der Tankstelle kennengelernt habe. Wir waren ins Gespraech gekommen, da wir das selbe Auto haben. Wie sich herausstellte sogar aus dem selben Monat. Zwillinge also.

Die Strasse war so schlecht, die Zeit wollte nicht rumgehen. Es kam mir vor, als wuerde ich ueberhaupt nicht voran kommen. Irgendwann kam ich zu einer Baustelle. Es sah recht verlassen aus, aber ich hoerte jemanden im Funk. Es zog sich lang und es gab nicht all zu viele Schilder. Ich fuehlte mich recht fehl am Platz, da ich irgendwie extrem schraeg am Rand entlang rutschte und nicht wusste, ob ich ueberhaupt richtig war. Irgendwann hoerte ich dann die Durchsage im Funk “young chick in a patrol coming” (junges Maedel in einem Patrol kommt). Man hatte mich also entdeckt. Ich fand auch irgendwann ein paar Bauarbeiter, gruesste freundlich und rutschte weiter. “Wow! It's really a chick!” (Wow! Das ist ja wirklich ein Maedel) konnte ich dann noch hoeren. Und noch irgendwelche Kommentare, die ich nicht ganz verstanden habe. Bis ich dann mal entgegnete, dass ich mithoere. Zurueck kam ein “oh!” und ein Gelaechter und dann war Funkstille. Die Bauarbeiter sehen dort draussen wohl nicht all zu viele Frauen.

Ich kam lediglich 500km an dem Tag, ich hatte die Nase voll von der schlechten Strasse. Es gab keine Campingmoeglichkeiten, also hielt ich einfach an einer Einbuchtung an und fing an, zu kochen bevor es dunkel wurde. Meine Klamotten waren dreckig, der Staub war mittlerweile in jeder Ecke im Auto, die letzte Dusche war auch schon wieder eine Weile her. Als ich gerade fertig gekocht habe, fuhr ein Auto vorbei voll mit Aborigines. Nicht unbedingt beruhigend, dafuer dass ich mitten im Nirgendwo komplett alleine war. Aber als die Dunkelheit einbrach, hatte ich ein ganz anderes Problem. Maeuse! Maeuse, die sich ueber mein auto hermachten und alles anknabberten. Unzaehlige Male warf ich den Motor an, um sie abzuschrecken. Aber das half nicht lange. Ich rannte raus und ums Auto, um sie zu verscheuchen. Aber das half auch nicht lange. Ich fuhr hin und her. Aber auch das half nicht. Irgendwann gab ich auf. Aber zumindest hatte ich keine groesseren Schaeden am naechsten Morgen.

 

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