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Wüstendurchquerung - Teil 4

  • Autorenbild: Christina Otto
    Christina Otto
  • 24. Aug. 2017
  • 8 Min. Lesezeit

Nach einem schoenen Sonnenaufgang startete ich mit dem Ziel, eine Dusche zu finden. Ich fuhr ein paar hundert Kilometer weiter, wo es einen Campingplatz gab. Normalerweise erlaubt einem jeder Campingplatz fuer ein paar Dollars schnell mal duschen zu gehen, auch wenn man nicht dort uebernachtet hat. Nicht auf diesem Campingplatz. Ich bekam ein schnelles, stricktes “Nein!” von dem Mann an der Rezeption und er verschwand im Nebenzimmer. Ok. Danke auch. Ich haette gern noch eine Nacht im Busch uebernachtet, aber ich wollte nicht noch laenger ohne Dusche. Ich konnte mich schon selbst nicht mehr riechen. Also machte ich mich auf den Weg in Richtung Alice Springs.

Ich erreichte irgendwann wieder eine geteerte Strasse. Einspurig mit breiten Seitenstreifen aus Schotter. Meine Reifen waren noch auf relativ niedrigem Luftdruck, ich wollte nicht extra aufpumpen fuer die paar Kilometer, die ich auf dem Teer verweilen wuerde. Das hiess aber langsam fahren, also nur so um die 80km/h. Ein Kleintransporter kam mir mit Hoechstgeschwindigkeit entgegen, ich fuhr ran, um ihn vorbei zu lassen, ich hatte ja Zeit. Als er naeher kam, machte er mir mit wilden Handzeichen wutentbrannt klar, dass ich doch haette weiter fahren koennen, die Strasse war ja breit genug. Tzzzzzzz... so ein Doofer! Die naechsten Autos, die mir begegneten, gruessten nicht einmal. Alles kam mir so unfreundlich vor. Je naeher ich Alice Springs kam, desdo weniger mochte ich es.

Ich bog wieder ab, weg von der unfreundlichen geteerten Strasse, zurueck auf den Binns Track, einer weiteren beruehmten Gelaendestrecke durch den Busch. Allerdings kam ich schon nach wenigen Metern an ein Schild, das mir verriet, dass die Strasse gesperrt war. Aber es gab noch einen anderen Eingang, der nicht ganz so extrem war. Als ich den gefunden hatte, fand ich auch den alten Mann mit dem Nissan Patrol wieder, den ich ein paar Tage zuvor an der Tankstelle kennengelernt hatte. Er liess mir ein Tor offen und gab Zeichen, dass ich es schliessen soll. Der Weg fuehrte durch die typische rote huegelige Landschaft der Landesmitte. Irgendwann ueberholte ich den anderen Patrol wieder, bis ich an ein Tor kam, dass ich fuer ihn offen liess und ihm ein Zeichen gab. Und so ging das Ganze weiter fuer viele Kilometer durch unzaehlige Tore. Irgendwann kam ich an eine Gabelung, wo der gute Herr stand und nicht mehr weiter wusste. Er hatte das teure Buch von der Gegend mit allen detailierten Karten, plus sein Navigationssystem, dass sich nicht mehr zurecht fand. Er wollte nach rechts fahren, ich war aber der Meinung, mit meinen ungenauen Karten und dem Kompass, wir muessen nach links. Und wie sich heraus stellte, hielt er nur sein Buch falsch herum. Ich uebernahm wieder die Fuehrung und wir kamen dahin, wo wir hin wollten. Eine alte Ruine, eine verlassene Station. Wir machten unsere Mittagspause dort zusammen. Wie sich herausstellte, war Paul (in seinen 70ern) aus Brisbane alleine unterwegs, da seine Frau keine Lust mehr hatte auf Campingurlaub und seine Freunde lieber eine Kreuzfahrt machen wollten. Und normalerweise uebernimmt seine Frau immer die Navigation, weshalb er auf dieser Reise schon oefters mal verloren gegangen ist. Wir fuhren noch ein bisschen zusammen, bis zu einer Geisterstadt. Von da an trennten sich unsere Wege wieder, da er in eine Schlucht fahren wollte, in der ich schon vor 7 Jahren war (ein extremer Weg, der mich damals eine Einstiegsleiste gekostet hat).

Ich fuhr weiter in Richtung Suedwesten entlang des Binns Track durch die Hart Ranges. Ca. 40Km durch schwieriges Gelaende, mit tiefem Sand, Flussdurchquerungen und ueber Stock und Stein. Auch diesen Weg bin ich vor sieben Jahren schonmal gefahren. Da konnte ich mich noch gut dran erinnern, da ich 2 Tage im Sand feststeckte, nur weil ich meinen Schwung wegen einer Kuh verloren hatte. Irgendwann war aber auch dieser Weg vorbei und ich kam der Stadt immer naeher. Der Verkehr wurde dichter, die besoffenen Aborigines am Strassenrand wurden mehr und es wimmelte nur so von Backpackern. Der Kulturschock hatte eingesetzt. Ich fuhr ins Zentrum, suchte die Touristeninformation, fragte nach den Preisen der Campingplaetze, bekam unfreundliche Antworten und entschied mich, nur die oeffentlichen Duschen und eine Waescherei zu nutzen. Ich packte ein paar Klamotten ein, hatte das Geld parat und lief rueber. In einem kleinen Gebaeude gab es Duschen fuer 5Dollar und Toiletten konnte man fuer einen Dollar nutzen. Mit Klomann, der alle paar Stunden sauber machte. Wohl der einzige Platz in Australien, wo man Geld fuer Toiletten bezahlen muss. Ich sagte freundlich “Hello!” und bekam ein grummeliges “Five!” zurueck mit der Handbewegung, die sicher stellen sollte, dass ich auch weiss, was “Five!” heisst. Wow! Es scheint wirklich schlimm hier zu sein. Ich hatte ja schon viel gehoert, aber es schien sich zu bestaetigen, dass die Backpacker in dieser Gegend zur Plage geworden sind. Ich genoss meine Dusche und hoerte zu, wie der Klomann lautstark mit den Aborigines diskutierte, dass sie gefaelligst bezahlen sollen. Ich wollte weg, Alice ist keine Stadt zum lange verweilen. Der Parkplatz war voll... bunt bemalte VW-Busse voll geladen mit Backpackern, schaebige Kombies, die Waescheleinen zum naechsten Laternenmast gezogen hatten, ueberall junge Deutsche und Franzosen, die an der Wand standen und versuchten, dass kostenlose Internet der Buecherei zu nutzen, und dann all die Aborigines, die in ihrem eigenen Muell besoffen auf der Wiese lagen und sich gegenseitig anschrien. Pfffffff....

Ich suchte mir meinen Weg zur Waescherei, wo mich ein freundlicher Tuerke begruesste, schmiss meine Klamotten in die Waschmaschine und fuhr derweil in den Supermarkt, um meine Vorraete aufzustocken. Ich fuhr zurueck, schmiss die Klamotten in den Trockner, fuhr derweil an die Tankstelle und zum Mexikaner und war eine halbe Stunde spaeter mit meinem Abendessen wieder beim Trockner. Als alles fertig war, konnte ich es kaum abwarten, raus zu kommen. Ueberfuellte Hostels, ueberteuerte Campingplaetze, die ganze komische Atmosphaere,... Ich uebernachtete ca 15km suedlich der Stadt auf einer Kuhweide neben dem Flughafen. Idyllisch.

Vor Sonnenaufgang war ich wach. Nun sah ich auch, dass noch 4 andere Camper in der Naehe waren. Und der Hintern meines Autos stand auf der Einfahrt eines Grundstueckes. Ups! Ich stellte fest, dass ich kein Kuehlwasser mehr hatte und mein Scheinwerfer brauchte noch ein bisschen mehr Klebeband. Ich fuhr zurueck in die Stadt, holte mir einen Kaffee, kaufte Kuehlwasser und hatte ein weiteres Ziel: Ich wollte einen neuen Hut. Ich fand einen Shop abseits der Touristenroute und war fuer die naechste Stunde beschaeftigt. So viel Auswahl! Ich konnte mich nicht enscheiden. Letztlich traf ich eine Entscheidung, die mein Geldbeutel noch unterstuetzen konnte. Ok, ich hatte alles, was ich wollte, ich konnte endlich raus. Ich hatte noch 300km Teer vor mir, also pumpte ich die Reifen nochmal auf, um ein bisschen Geschwindigkeit zu bekommen und Zeit zu gewinnen. Ich bog ab auf den Tanami Highway, einer weiteren laaaaaaaaangen (1100km), schlechten Schotterstrasse durchs Nichts. Der Teer endete bei einer Tankstelle mit sehr gespraechigen Inhabern. Dort sehen sie nicht all zu viele Leute am Tag. Ich goennte mir ein Eis, die Hitze war kaum zu ertragen. Ich liess wieder Luft aus den Reifen und war zurueck auf dem Schotter. Ausser drei kleinen Aborigine-Gemeinden gab es dort draussen nichts. Ausser kleinen Wirbelstuermen und jeder Menge Fliegen. Ich schlug Camp auf neben der Strasse, keine Menscheseele in der Naehe. Es war Vollmond, die Dingos jaulten. Bevor es dunkel wurde, sah ich ein Buschfeuer in der Richtung aus der ich kam. Dementsprechend schlief ich etwas unruhig. Aber am naechsten Morgen war es schon weg. Ich machte Fruehstueck und packte zusammen, als ein grosser LKW mit vier Anhaengern und riesiger Staubwolke hupend vorbei donnerte. Ich stellte fest, dass eine meiner Batterien leer ist. Mal wieder. Ich hoffte also, dass die andere wenigstens durchhaelt. Aber sicherheitshalber machte ich die schwere Entscheidung, den Kuehlschrank am Abend auszuschalten, nachdem ich ihn die Fahrt ueber auf minus 10Grad runter gekuehlt hatte.

Die Strassenkondition variierte von einigermassen ok, ueber ganz schoen scheisse bis hin zu uuuuunbeschreiblich moerderisch schlecht. Unendliche Wueste, pure Langeweile, kein Radioempfang, kein Handyempfang, keine anderen Verkehrsteilnehmer, die man evtl mal anfunken koennte. Nichts. Nur die Kilometer rollten auf dem Tacho. Ich sah die Grenze zu Westaustralien auf meiner Karte kommen. Ich hatte geplant anzuhalten und ein Foto von mir und meinem Auto vor dem Grenzschild zu machen, wollte gebuehrend feiern, dass ich endlich wieder zurueck in Westaustralien bin. Aber es gab keine Grenzschilder mehr. Die waren weg. Alle. Jemand hatte eine kleine Tonne hingestellt und drauf gesprueht NT I WA. Aber das war es auch schon. Toll! Plan ruiniert. Aber trotzdem... ich war zurueck in Westaustralien! Dem Australien, das ich so liebe. Yeah!

Irgendwann war ich fast am Ende angekommen. Es gab noch einen “Fruit Fly Check”, also einem Grenzpunkt, wo man saemtliches Obst, Gemuese, Nuesse, Honig, alles wegschmeissen musste. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es das dort auch gibt, also hatte ich noch reichlich. Ich machte also Pause, stopfte mich voll mit Weintrauben und Aepfeln, versteckte meinen abgepackten Salatmix, den ich am Abend essen wollte und schmiss all den Rest in den Muelleimer. Dann fuhr ich weiter und kam wenig spaeter in Halls Creek an. Einem gefaehrlichen kleinen Staedtchen mit extrem hohen Aborigine- Anteil. Ich fuellte meinen Tank und parkte mein Auto neben der Touristeninformation, um deren Internet zu nutzen. Irgendwann kam ein grosser Bus angefahren und parkte ebenfalls dort. Es war ein umgebauter, alter Hippybus. Die Tuer oeffnete sich und es stiegen sieben Leute aus. Maedels und Jungs, alle um die 18-22Jahre alt, alle wasserstoffblondes Haar und stechend blaue Augen, braungebrannt mit perfekter Strandfigur. WOW! Was fuer ein Anblick! Auch fuer all die Ureinwohner, die umherlagen. Ich dachte mir noch “Wo haben sie denn diese Superschweden ausgegraben?!”, aber als alle in verschiedene Richtungen ausschwaermten, um zuhause anzurufen, hoerte ich aus jeder Ecke deutsch. Sehr komisch. Gibt es Reiseunternehmen nur fuer arische Models?

Es hielt mich nichts in dem kleinen Staedtchen, der Campingplatz dort wurde regelmaessig ausgeraubt, ich fuhr weiter in Richtung Norden. Ich hatte noch ein letztes Ziel fuer diese Reise: die beruehmten Bungle Bungles. Ich schaffte es gerade noch vor Einbruch der Dunkelheit zu einem Rastplatz, wo ich erst noch ein paar Wildpferde beobachtete und dann Camp aufschlug. Am naechsten Morgen startete ich schon vor Sonnenaufgang, da ich feststellte, dass ich ja 1.5Std Zeitunterschied vergessen hatte. Ich war die Einzige auf diesem Rastplatz. Es gab noch 3weitere auf dem Weg und die waren alle ueberfuellt. Da hatte ich ja nochmal Glueck. Aber dieser Massentourismus machte sich auch im Nationalpark schnell bemerkbar. Ich bog ab auf die 50km lange Schotterstrasse. Ueber Stock und Stein, mit gefuehlten 100 Flussdurchquerungen windete sich der Weg in Richtung der “Bienenstoecke”. Beruehmt fuer die komischen Felsformationen, bietet der Park eine absolut atemberaubende Landschaft. Definitiv einer meiner Favoriten Australiens. Ich machte eine 2stuendige Wanderung durch die Felsen und Schluchten. Zum Glueck war alles recht schattig, da die Hitze recht extrem war. Als ich zurueck kam, genoss ich das letzte einigermassen kalte Getraenk, bevor ich meinen ausgeschalteten Kuehlschrank offiziell als warm bezeichnen konnte. Die 50km raus waren irgendwie schlechter. Oder es kam mir am Ende des Tages nur schlechter vor.

Wieder draussen, entschied ich mich gegen die ueberfuellten Rastplaetze. Es lag nur noch geteerte Strasse vor mir, also konnte ich noch ein paar hundert Kilometer mehr schaffen. Ich fuhr zurueck durch Halls Creek und weiter 120km suedwestlich bis zu einer Station, die Camping und Duschen fuer 10Dollar auf einer Wiese anbot. Ich hatte am Abend noch lange Gesellschaft vom Hofhund, bevor ich die kalte, wohlverdiente Dusche genoss und mich fuer meine letzte Nacht im Freien ins Bett legte.

Der naechste Tag brachte mich noch ca. 400Km weiter. Ich durchquerte Fitzroy Crossing, einem kleinen Ort indem ich nochmal auftankte und fuhr dann hoch nach Derby. Ich goennte mir einen Kaffee am Hafen, schrieb einen Blog und liess alle zuhause wissen, dass ich es geschafft habe. 7200Km lagen hinter mir, ca. 5000davon auf Schotter und Sandpisten, in nicht mal 2 Wochen. Alles an mir und am Auto war staubig, ich war im heissen Norden angekommen, ich hatte genug von der Fahrerei, es war Zeit. Weitere 20km brachten mich zurueck zur Birdwood Downs Station, dem Fleckchen Paradies, das ich letztes Jahr schon lieben lernte und das mein zuhause fuer die naechsten 5 Monate werden sollte.

Wuestendurchquerung ist nun endlich in vier Teilen abgehakt, nun bin ich “nur” noch 3Monate hinterher....

 
 
 

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