Die Wuestendurchquerung ist aufgearbeitet, nun muss ich die letzten drei wunderschoenen Monate auf der Birdwood Downs Station in ein paar Saetze packen. Ohne Stichpunkte, also wird die Haelfte der Erinnerungen evtl schon verloren sein. Sehr wahrscheinlich endet es wieder in mehreren Teilen. Aber vielleicht auch nicht. Denn wer mitgelesen hat, kann sich vielleicht noch an meine Blogs von letztem Jahr erinnern (oder nochmal zurueck blaettern). Ich war ja schonmal hier. Und ausserdem ist das hier jetzt meine normale Arbeit und mein normales Leben. Und wie das im Alltag eben so ist, wird jeder Job mal langweilig. Aber immerhin, es ist immer noch ein Traumjob fuer mich. Vielmehr ging hier ein Kindheitstraum in Erfuellung. Mit 29 Jahren kann ich das Thema “Reiten lernen” endlich von meiner To-Do-Liste streichen. Nach weit ueber 400 Std auf dem Pferd und unzaehligen Stunden um Pferde herum, kann ich mich jetzt guten Gewissens als Pferdeperson/Reiter bezeichnen. Wenn auch noch nicht perfekt, aber ich habe enorm viel gelernt hier in den letzten Monaten. Manchmal hilft es eben ins kalte Wasser geschmissen zu werden.
Aber um nochmal ein bisschen zusammen zu fassen, wo ich hier jetzt genau bin... Birdwood Downs ist eine Station (=riesiger Bauernhof) im Nordwesten Australiens. 20Km entfernt von der Kleinstadt Derby im Westen und 910km entfernt von der Kleinstadt Kununurru im Osten. Dazwischen nichts. 220Km sind es nach Broome, was dann eine etwas groessere Stadt ist. Und will man richtig einkaufen oder richtig aerztlich versorgt werden oder Annehmlichkeiten wie Kino geniessen oder an einen internationalen Flughafen kommen, muss man entweder die 2500km nach Perth fahren oder 1700km nach Darwin. Also auf deutsch: es ist verdammt ab vom Schuss. Aber das macht es so besonders. Die beruehmte Gibb River Road startet hier und zieht sich 600km auf schlechter Schotterstrasse durch die atemberaubende Landschaft der Kimberleys.
Ich glaube, ich bin letztes Jahr nicht weiter in Details gegangen. Die Station wurde in den 70ern von ein paar Hippies gegruendet. Ein Projekt von einer amerikanischen Firma. Man wollte Birdwood Gras von Afrika anpflanzen, in der Hoffnung, mehr Futter in diesem trockenen Land zu bekommen. Aber das funktionierte nicht ganz. Und ein paar Jahre spaeter wurde dieses Gras hier verboten. Aber nun war schon zu viel davon da, man konnte nichts mehr dagegen machen, aber auch nichts mehr damit anfangen. Verschiedene kleine und grosse Projekte wurden ueber die Jahre hin umgesetzt, Gaerten angelegt, Savannah-Huetten gebaut, ein Campingplatz eroeffnet, Solarpower und Brunnenwasser machen das Grundstueck unabhaengig. Aber im Grossen und Ganzen ging es hauptsaechlich immer um die Gemeinschaft. Hier ist alles mehr oder weniger Freiwilligenarbeit. Man arbeitet fuer Kost und Logis, bekommt Essen und ein Dach ueber dem Kopf. Die zwei Manager bekommen ein kleines Gehalt nebenbei, aber nichts zum reich werden. Jedes Jahr kommen und gehen Helfer jeglichen Alters, jeglicher Nation, jeglicher Herkunft. Und diese helfenden Haende machen es moeglich, dass dieser Ort hier existiert. Im Moment haben wir ca 5000 hektar, also umgerechnet etwa 50km² Land. Groesstenteils Busch, Land, das wir nicht wirklich nutzen koennen. Ca 30 Kuehe wandern hier umher und die 14 Pferde. Fuer die paar Tiere ist kaum genug Futter auf den Weiden. Denn die Gegend hier ist extrem. Zwischen November und Maerz ist Regensaison. Und es regnet viel. Alles wird gruen und spriesst, Wasser ueberall, die Tiere werden fett und gluecklich. Aber es ist heiss, tropisch heiss. April, Mai kann mit etwas Glueck noch den ein oder anderen Schauer bringen. Und dann folgen ca 6 Monate Trockenheit. Jeden Tag blauer Himmel und Sonnenschein. Hoert sich soweit gut an, aber alles trocknet aus, es ist heiss, die Tiere sind hungrig, es ist staubig, jeder ist gluecklich, wenn mal eine Wolke am Himmel auftaucht. Und im September, Oktober ist die “Aufbauzeit”. Es ist unbeschreiblich heiss, jeden Tag um die 40Grad, die Luftfeuchtigkeit schleicht sich ein,man schwitzt 24 Stunden am Tag, alles baut sich auf, bis irgendwann der erste Regen kommt und das Land wieder zum Leben erweckt wird. Eine raue Gegend, nichts fuer Jedermann.
Die traurige Seite dieses Ortes, ist die Geschichte der letzten Managerin. Sie hatte in den Siebzigern alles mit aufgebaut, hat ihr Kind hier gross gezogen (heute ein 28jaehriger Geologe, der in Amerika lebt und uns neulich auch mal besucht hat), hat mit Leib und Seele fuer diese Station gekaempft und geschufftet. Sich vor 40Jahren hier als Frau zu beweisen, war nicht einfach. Auch heute noch ist diese Gegend hier weit zurueck in Sachen Gleichberechtigung. Sie hat auch bei anderen Projekten der Amerikaner mitgeholfen, war mit dem Segelschiff unterwegs in der Welt, hat fuer das Regenwaldprojekt in Puerto Rico gearbeitet, hat im Hauptprojekt in New Mexico geholfen. Ausserdem hat sie hier die Pferdeschule aufgebaut. Mit eigenem Zuchtprogramm, in dem sie Quarter Horse mit Arabern mischt, hat sie eine schoene Herde geschaffen und trainiert. Von Abendschulprogrammen “Wie werde ich Cowboy”, ueber Rodeotraining, bishin zu Ferienfreizeiten und Beschaeftigungstherapien fuer die heimischen Aboriginekinder. Sie war ueberall bekannt. In den 90ern wurde sie zur Frau des Jahres gewaehlt in Australien. Vor 12 Jahren hat sie dann Greg hergelockt, bzw hier behalten und ihn davon ueberzeugt, ihr als neuer Manager zu helfen und die Pferde mit zu uebernehmen. Das wuerde er auch noch machen, wenn er nicht auch schon in seinen 60ern waere. Dementsprechend uebernehme ich diesen Teil im Moment fuer ihn. Und dann hat sie noch Hans hergelockt. Der Hollaender war vor 8Jahren nur auf der Durchreise, aber ist haengengeblieben und hat hier sein Glueck gefunden. Im Moment baut er sich gerade sein eigenes Haus und hat alles in den Niederlanden nun offiziell aufgegeben. Er hat die Managerin geheiratet, war gluecklich, bis die Nachricht vor 4Jahren kam: Hirntumor. Als es festgestellt wurde, hatte sie noch 4 Wochen Zeit, wovon sie bereits 2 Wochen in Perth im Krankenhaus verbrachte, bevor sie die Aerzte ueberreden konnte, dass sie wenigstens auf der Station sein wollte, wenn es soweit ist. Ein trauriges Ende einer grossen Persoenlichkeit. Und mit ihr ging ein grosser Teil der Station verloren. Es geht weiter, ja, aber es ist einfach nicht mehr das Selbe.
Um euch noch einen kleinen Eindruck ueber das Gelaende zu verschaffen... Der groesste Teil das Grundstuecks wird wie gesagt nicht wirklich genutzt. Mitten in diesem ungenutzten noerdlichen Teil hat Greg sein kleines Huettchen, in dem er mit seinen eineinhalb Hunden wohnt. Sein selbstgebautes “Humpy” ist sehr speziell. Bestehend aus einem kleinen Wohnwagen, den er als Rumpelkammer nutzt, und einer Blechwand, an der sein Kuehlschrank steht und sein Bett. Ein Blechdach geht von der Wand ueber seine Sitzgelegenheit (bestehend aus einem Tisch, einem Campingstuhl und ein paar Eimern fuer Besucher) und eine kleine Kochstelle mit Gaskocher. Das “Badezimmer” besteht aus einem Duschkopf an der Aussenseite des Wohnwagens und einem Stuhl mit Klobrille ca. 5m entfernt von allem, im Freien natuerlich. Minimalistischer kann man kaum leben. Aber es hat was. Mir wuerde das reichen. Abgesehen von dem Punkt, dass man mit jeder Menge Kriechtiere leben muss. Faehrt man den Sandweg 2km weiter suedlich, kommt man zu den Hauptgebaeuden. Es gibt ein Theater, was im Moment nur als Lagerhalle fuer Baumaterial und Heu genutzt wird. Dann gibt es ein grosses Buerogebaeude und eine riesige Werkstatt mit allem wovon das Schrauberherz so traeumen kann. Eine Garage, in der zumindest 2 der 5 Autos Platz finden. Ein Unterstellplatz fuer die 2 Traktoren und einen uralten Loeschwagen. Dann der Pferdestall mit Sattelkammer und all dem Zubehoer und einem Schlafsaal mit 12Betten dahinter. Dann das Haupthaus mit Kueche, Wohnzimmer, Buecherei und riesiger Terasse. Ein Gartenhuettchen, indem alles moegliche aufbewahrt wird. Gleich neben unserer Gaertnerei, einem grossen Gemuesegarten, einem Ananasfeld und dem grossen Huehnergehege, das den 22Huehnern mit ihrem Hahn und 6 Pfauen ausreichend Platz bietet. Zwischendrin gibt es noch einen kleinen Raum, indem wir unser Fleisch lagern, falls wir eine Kuh schlachten und im Moment die Bananen dort reifen lassen. Dann geht man durch einen kleinen Regenwald mit hunderten von Schmetterlingen und kommt zu den 11 Savannah-Huetten, die jedem von uns ein grosses Bett, Schrank und Tisch bieten und normalerweise auch oefters fuer Gaeste vermietet werden. Dann gibt es die Badezimmer, 4 Toiletten, 4 Duschen, fuer die Gaeste und uns. Und die Camping-Kueche, die erst im Februar neu gebaut wurde. Daneben sind unsere Bananenbaeume und Papayas. Und dann geht es zum Campingplatz, der erst Anfang des Jahres erweitert wurde. Dahinter kommen die Pferdekoppeln und rechts Richtung Ende des Grundstuecks ist ein Reitplatz und dahinter die Kuhweiden. Das war also die kleine Tour durchs Gelaende. Nebenbei erwaehnt werde ich sehr wahrscheinlich naechstes Jahr zur Saison wieder hier sein. Wer also die Chance nutzen will und mich hier mal besuchen kommt, kann gerne schonmal nach Fluegen irgendwann zwischen Mai und Oktober schauen.
Ok, hier mache ich mal eine Pause. Im naechsten Blog dann mehr ueber meinen Arbeitsalltag, ein paar Geschichten ueber meine Gaeste und ein Bericht ueber die wenigen Ausfluege, die ich hier gemacht habe.
*Das Glück der Erde, liegt auf dem Rücken der Pferde*