top of page

Der Alltag im Paradies

Vom Baeckeralltag weit entfernt kann ich hier einen Traum ausleben. Als Kind wollte ich immer ein Pferd haben. Hier habe ich nun 14 Pferde. Und die wollen jeden Tag versorgt werden. Um 5.00Uhr klingelt mein Wecker. Verschlafen kenne ich hier nicht, ich springe jeden Morgen motiviert aus dem Bett. Anziehen und fertig machen, Hut holen und Wasserflasche auffuellen, und dann warten auch schon die ersten 8 Pferde auf ihr Fruehstueck. Es wird auf dem Futtertrog herumgehaemmert, gewiehert, herum galoppiert und mit der Tuer gespielt,nur um mir klar zu machen, dass ich mich beeilen soll. Wenn jeder friedlich frisst, wird entschieden, wer heute arbeiten muss. Sind Ausritte gebucht, werden die Pferde gestriegelt und fertig gemacht. Sind keine Ausritte gebucht, hole ich mir die zwei Jungpferde zum trainieren raus. Nebenbei noch Pferdemist schaufeln, Heu verteilen, Scheune kehren, Wassertroege saeubern, unsere Blumen in alten Reitstiefeln giessen, Vitamine verteilen, Futterbehaelter nachfuellen , Saettel oelen, Fohlen ab und an zum spielen und kuscheln raus holen, mit dem Hengst alle paar Wochen mal ein bisschen Bodenarbeit machen, usw. So findet sich immer genug Beschaeftigung bis sich alle um halb neun zum Fruehstueck treffen. Dann wollen die Huehner gefuettert und Eier eingesammelt werden. Danach werden Baeder und Kueche sauber gemacht fuer die Gaeste, Huetten hergerichtet wenn noetig und Waesche gewaschen. Und dann kommt es darauf an, was noch so an steht. Von Unkraut rupfen ueber Baeume faellen bis hin zu Zaeune reparieren. Die grossen Aufgaben am Anfang der Saison waren zum Beispiel mit dem Traktor Feuerwege um und durch das Grundstueck zu ziehen, die Gaerten umgraben und bereit machen, grosse Teile vom Busch um das Grundstueck herum kontrolliert zu verbrennen, um gefaehrliche Buschbraende in der Trockensaison zu vermeiden, Zaunpfaehle zusammenschweissen und einbetonieren, Stromleitungen verlegen, den Campingplatz vom Gras befreien, die Pferde wieder einreiten, die das letzte halbe Jahr nichts getan haben, Fruechte ernten, alles aufraeumen und wieder herrichten, usw. Und dann ging die Saison im Juli so richtig los. Jeeeede Menge Touristen, der Campingplatz war fast jede Nacht ausgebucht. Jede Menge Ausritte wurden gebucht, sodass es fuer mich meist nur eine Mittagspause gab und dann wurde bis abends weiter gearbeitet. Am Anfang waren es meist Familien, dann ging es zu den grauen Nomaden, die in ihrem Rentenalter nochmal wissen wollten, ob sie es noch auf ein Pferd schaffen, und nun zum Schluss hin sind es meist international Reisende. Es ist definitiv ein sehr interessanter Job. Man lernt nach der Zeit, die Pferde richtig einzuschaetzen. Man sieht sofort, wenn ein Pferd mal einen schlechten Tag hat. Man lernt die Gefahren einzuschaetzen und zu vermeiden, wie z.B. starker Wind, Kuehe, Kaenguruhs, all diese Sachen, die die Pferde scheuen lassen. Man sieht sofort, wenn ein Pferd seinen Reiter nicht mag. Und anders herum genauso, man lernt schnell, die Leute einzuschaetzen. Unzaehlige kamen her und haben behauptet, sie sind erfahrene Reiter. Wenn sie dann weder richtig aufsteigen, noch das Pferd unter Kontrolle halten koennen, frage ich nochmal genauer nach und bekomme oefters zur Antwort, dass sie als Kind mal auf einem Pony gesessen haben. Wow! Wie kann man denn das als Erfahrung bezeichnen?! Es gibt also die, die sich hoffnungslos ueberschaetzen. Dann gibt es die, die panische Angst haben. Dann die, die noch nie auf einem Pferd sassen und dann nach 200m schon umhergallopieren wie Profis. Dann sind da die, die sich auffuehren, wie kleine Kinder und die Pferde voellig nervoes machen. Dann die, die einfach nur zufrieden sind, auf einem Pferd zu sitzen, die Gegend zu sehen und Geschichten zu hoeren. Und die einigen wenigen, die wirklich reiten koennen. Aber alle sind auf ihre Weise interessant.

Um mal ein paar besondere Gaeste zu nennen, die mir in Erinnerung blieben... Da war zum Beispiel Paul, ein Mann in seinen 50ern aus Melbourne. Er blieb ein paar Tage, hat in unseren teuren Huetten uebernachtet und war eigentlich nur wegen den Pferden da. Er hatte 3 lange 3stuendige Ausritte ueber die Tage verteilt. Er war ein sehr erfahrener Reiter, Dressurreiten. Er kam mit kompletter Reitermontur, weissem Shirt, Reiterhose, eigenem Helm und Handschuhe. Und ihm war das Pferd sooo wichtig. Er wollte fuer die erste Stunde erstmal nur langsam laufen, um erstmal das Pferd kennenzulernen und jede Menge mit ihm zu reden. Und er hat es dann absolut lieb gewonnen. Ausserdem war er Biologe und hat mir so viel beigebracht ueber all die Pflanzen und Tiere und Orientierung da draussen. Ein wirklich interessanter Mensch.

Dann gab es da noch zwei Familien, beide mit drei Kindern, alle zehn wollten reiten gehen. Erst waren sie etwas eingeschnappt, dass sie nicht zusammen gehen konnten, da wir nicht genug Pferde dafuer haben. Die ersten fuenf waren um 15Uhr dran. Der Vater war ausser Kontrolle. Die Kinder waren zum ersten Mal auf dem Pferd, waren sehr aengstlich und nervoes. Also wollten wir nur laufen. Aber der Vater wollte unbedingt schneller und fing staendig an zu traben. Dadurch sind auch die anderen Pferde schneller geworden und die Kinder haben noch mehr Angst bekommen. Und er hat es nicht lassen koennen. Ich war kurz davor, ihn ganz und gar vom Pferd steigen zu lassen, um heim zu laufen. Aber das war noch meine Anfangszeit, heute wuerde ich mich da definitiv durchsetzen. Ich war so froh, als die Stunde rum war und noch alle auf dem Pferd sassen, wenn auch mit Traenen in den Augen. Dann wartete die zweite Familie, um gleich danach auf die Pferde zu steigen. Und es war genau das selbe. Ein weiterer verrueckter Vater, der die Kinder zum weinen gebracht hat. Man, was war ich froh, als der Tag herum war und mein Chef mit einem Bier auf mich wartete.

Dann war da noch Ron, ein 82-jaehriger Australier. Er war in seinen ganz jungen Jahren mal ein Cowboy. Aber dann hat er Ronda geheiratet, vor 50 Jahren, und die mag keine Pferde, also durfte er seither nicht mehr reiten. Er sah sehr alt und gebrechlich aus und ich habe mich auf einen ruhigen Ritt eingestellt. Nachdem wir ihn dann zu zweit auf das Pferd gesetzt haben, ging es los. Er wollte es nochmal wissen. Er ist durch die Gegend getrabt und gallopiert, wie ein junger Kerl, mit dem groessten Grinsen auf den Lippen und hat lauthals “jihaaaaaaaa!” gerufen. Da hat sich der Spruch mal wieder bewahrheitet mit dem Glueck der Erde, auf dem Ruecken der Pferde.

Ein aelteres Ehepaar aus den Niederlanden war erst vor ein paar Wochen hier. Sie konnten beide nicht wirklich reiten, waren aber voellig aufgedreht und wollten staendig umhergallopieren. Alle paar Meter mussten wir anhalten und Bilder machen. Hauptsaechlich von mir, da sie behaupteten, ich sehe aus, wie ein Cowgirl aus der Fernsehserie McLeods Toechter. Am Ende gaben sie mir allerdings noch 20$ Trinkgeld. Dafuer war ich doch gerne mal ihr Fotomodel.

Dann haben wir das Jugendzentrum hier alle paar Wochen. Manchmal kommen sie mit 5 Kindern, manchmal mit einem, das ist immer ungewiss, je nachdem wie viele auftauchen. Und zu 99% sind es Aborigines. Also weiss man nie, wie der Ritt wird. Mit aelteren Jungs, ist es meist schweigsam, da sie ein Problem damit haben, dass ihnen eine junge Frau etwas sagen will. Eine vollkommen andere Kultur. Sobald sie ins Jugendalter kommen, hoeren die Jungs nur noch auf das, was die aelteren Maenner sagen und die Maedchen nur noch auf die aelteren Frauen. Mit Maedchen habe ich also dementsprechend keine Probleme. Auf einem Ritt waren es mal 5 Jungs und nur einer noch in dem Alter, dass er mit mir redete. Dementsprechend war die gesamte Stunde vom Ausritt von Schweigen gepraegt. Jeder hat einen Flunsch gezogen und ich dachte wirklich, es wuerde ihnen so gar nicht gefallen. Als wir wieder zurueck kamen und sie von ihrem Betreuer gefragt wurden, ob es ihnen gefallen hat, gab es grosses Gejubel und glueckliche Gesichter. Wirklich schwer einzuschaetzen.

Dann die Familie aus Tasmanien. Die Kinder haben noch nie auf dem Pferd gesessen, also habe ich alle sechs erstmal mit in die Arena genommen und ihnen eine kleine Unterrichtsstunde gegeben. Am naechsten Morgen dann ein weiterer Ausritt, wo wir dann wirklich rausgegangen sind. Um die zwei Maedchen war ich ein wenig besorgt. Die eine war total hyperaktiv und die andere war auf unserem juengsten Pferd, das schnell recht ungeduldig und stur wird. Der Ritt war schon halb geschafft, alles lief gut, ich war voller Zuversicht. Dann kam ein Busch, durch den sie sich mit drei Pferden quetschen wollten. Und das hat nicht funktioniert. Die Pferde haben sich gegenseitig weggescheucht, sind ein Stueck losgerannt und waren dann so erschrocken von dem Ganzen, dass sie seitlich weggesprungen sind. Vater, Mutter und Sohn. Ansich eine Situation, die haette unter Kontrolle gebracht werden koennen. Der Junge hatte Angst und ist ganz geschickt vom Pferd gesprungen und sicher auf seinen Fuessen gelandet. Die Mutter allerdings hatte das Pech, dass in dem Moment als das Pferd zur Seite sprang, der Sattelgurt gerissen ist und sie landete unsanft mit dem Sattel auf dem Boden. Sie konnte ihre Beine nicht mehr spueren, konnte sich nicht mehr bewegen, es sah schlimm aus. Zum Glueck hatte ich unsere Britin mit dabei, die zu der Zeit auch bei uns gearbeitet hat. Sie rief unseren Chef an, waehrend ich die Kinder erstmal von den nervoesen Pferden holte. Allerdings hatte ich mein eigenes nicht festgebunden und zusammen mit dem sattellosen Pferd und einem weiteren, gallopierte es ohne uns nach Hause. Als mein Chef eintraf, konnten die zwei Maenner sie hochheben und ins Auto verladen. Ein grosses Ereignis, aber die Kinder liessen sich nicht abschrecken und wollten wieder auf die uebrig gebliebenen Pferde. 30 Minuten spaeter kamen wir dann auch wieder am Stall an und ihr Auto war schon beladen. Trotz des Unfalls hatten alle ihren Spass und die Mutter konnte sich zumindest auch wieder ein bisschen bewegen, wenn auch unter Schmerzen. Zumindest bestaetigte sich nicht das Schlimmste.

Und wenn wir gerade bei Unfaellen sind... Das war erst letzte Woche, als ich ein Feriencamp mit 6 Maedchen vom Dorf hier machte. Sie waren fuer 2 Tage eingebucht, allerdings kam es soweit nie. Wir haben die Pferde in die Arena gefuehrt, haben die wichtigsten Regeln geklaert (wie z.B. Keine lauten Geraeusche um die Pferde), und ich habe eine nach der anderen aufs Pferd gesetzt. Als ich die letzte sitzen hatte, machte das erste Pferd einen Schritt nach vorne. Das Maedchen bekam absolute Panik und fing an lauthals zu schreien. Die Pferde erschreckten sich so sehr, dass sie alle durchgingen. Im Dominoeffekt konnte ich nur machtlos zusehen, wie alle Pferde umher rannten und alle Maedchen nach und nach runter fielen. Das Geweine war gross, es brauchte viele Umarmungen und gutes Zureden, bis sich alle wieder ein bisschen beruhigt hatten. Wir holten ein Auto, um zwei laufunfaehige Maedchen abzutransportieren und ich lief mit dem Rest zurueck zu ihrem Bus. Ihre Lehrerin brachte alle ins Krankenhaus und verstaendigte die Eltern. Ich verstaendigte meinen Chef, der auch schnell mit Bier und troestenden Worten angefahren kam und wir machten uns auf den Weg, die verstoerten Pferde mit all ihrem kaputten Zubehoer wieder zurueck zu holen. Wie sich dann spaeter heraus stellte, hat sich ein Maedchen den Knoechel gebrochen und eines das Schluesselbein. Allerdings haben die Eltern wohl keinen Stress gemacht, da alle genug Pferdeerfahrung haben, um ihren Kindern zu erklaeren, das Reiten eben gefaehrlich ist. Der zweite Tag wurde dann abgesagt, der Schock musste erstmal verarbeitet werden. Aber zwei der Maedchen kamen am Wochenende danach privat fuer einen Ausritt. Das war schoen zu sehen, dass sie jetzt zumindest nicht komplett veraengstigt sind. Nach diesen Vorfaellen wurde mir mal wieder klar, wie unberechenbar und gefaehrlich Pferde doch sein koennen. Ein Sport mit grossem Risiko.

Ein wiederkehrender, gerngesehener Gast hier ist Lucy, eine 11jaehrige, die alle paar Wochen zum Reiten kommt. Ein sehr strebsames Maedchen, das wirklich Spass macht. Nach nur wenigen Reitstunden bekommt sie alles schon echt super hin. Auch mit Satteln und allem drumherum ist sie vollkommen eigenstaendig. Und sie hat mir auch schon geholfen mit einer Gruppe von 5Kindern in der Arena. Wirklich eine Ausnahme. Normalerweise bin ich mittlerweise schon soweit, dass ich Reitstunden so gebe, wie ich sie als Kind immer gehasst habe. Mit der Reitlehrerin, die mir staendig gesagt hat “Haende runter!”, “Ruecken gerade!”, “Fersen nach unten!”, usw. Aber anders funktioniert es bei den meisten Kindern nicht.

Eine belgische Familie war mal hier, 12 Leute, Opa hat alles bezahlt. Sie hatten zwei Ausritte, hauptsaechlich fuer die Kinder. Wir haben unser Gewichtslimit auf den Pferden bei 90kg, weil sie nicht besonders gross sind. Bei Maennern ist das schnell mal erreicht. Allerdings war diese Familie durchweg fast 2Meter gross. Selbst die 12 und 14 jaehrigen Jungs hatten schon eine stolze Hoehe. Sie hatten alle um die 80-90kg, die Pferde mussten also alle ziemlich an ihr Limit gehen. Das Problem war allerdings die Groesse. Die Steigbuegel mussten ins letzte Loch, bzw musste ich an manchen noch Loecher ins Leder machen, um sie richtig einzustellen. Diese Riesen konnten fast den Boden beruehren, als sie auf den Pferden sassen, nur wenige Zentimeter haben gefehlt. Das gab ein sehr komisches Bild mit dieser Truppe.

Zwei deutsche Maedchen kamen fuer 3 Ausritte. Sie hatten bereits seit 1,5Jahren Reitstunden, einmal woechentlich. Wie sich allerdings herausstellte, wussten sie nicht einmal, wie sie traben, das haben sie nie gelernt. Seit 1,5Jahren sind sie nur auf einem Pferd gesessen und gelaufen, aus Sicherheitsgruenden. Da bin ich ja froh, dass ich nie Reitstunden in Deutschland bekommen habe. Was fuer eine Geldverschwendung. Mit mir durften die beiden sogar galoppieren, hatten einen riesen Spass dabei und werden zuhause ihrer Reitlehrerin damit von nun an tierisch auf die Nerven gehen.

Es waren ein paar wirklich interessante Leute dabei. Auch wenn ich zum Ende der Saison ganz schoen genervt davon bin, immer wieder die selben Geschichten zu erzaehlen, immer wieder die selben Fragen zu stellen, immer wieder die selben Antworten zu geben,... es macht trotzdem Spass.

Einen weiteren Blog wird es geben ueber die paar wenigen Ausfluege und dann heisst es fuer mich auch schonwieder weiter ziehen.

*Das Glueck der Erde, liegt auf dem Ruecken der Pferde*

 

© 2015 by Christina Otto. Proudly created with Wix.com

  • Facebook Social Icon
bottom of page