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Der Abschied vom Paradies

Sorry, ich konnte nicht mehr aufhoeren zu schreiben, also wurde der Blog ein bissssschen zu lang. Der erste Teil also ueber die letzten Tage auf Birdwood Downs, der Ausflug zu einem der gefaehrlichsten verlassenen Orte der Welt und ueber einen Ritt bei der Konkurrenz...

Der Tag rueckte immer naeher. Es gab einen letzten Ritt mit jedem meiner Pferdchen. Auf dem vorletzten Ritt mit meinem Razza-Pferdchen kam uns noch eine Schlange in den Weg, die mir den ersten Fall vom Pferd bescherte. Ok, eigentlich war es mehr ein Sprung. Schlange kam als wir umhergalloppierten, Pferd ging hoch, fing an sich im Kreis zu drehen, ich endete auf ihrer Seite, versuchte mich wieder hoch zu ziehen, merkte aber, dass der Sattel auch auf der Seite war, realisierte nach einigen Runden im Kreis, dass ich nicht aus der Position raus kam und entschied mich abzuspringen. Mein Pferd brauchte noch einige Minuten, um sich zu beruhigen, aber irgendwann kam ich mal dazu, den Sattel wieder zu richten, aufzusteigen, meinen Touristen zu versichern, dass alles in Ordnung ist, und weiter zu reiten. Der letzte Ritt war dann am Freitag Abend mit meinem Chef. Wir ritten in den Sonnenuntergang, raus aus dem Grundstueck, in die Suempfe, mit jeder Menge galloppieren, ein paar Drinks zwischendurch und recht schreckhaften Pferden in der Dunkelheit. Bei Vollmond ging es zurueck, unter anderem fuer ein ganzes Stueck auf dem geteerten Stueck der Gibb River Road. Das klang recht komisch, die Hufe der Pferde klackern zu hoeren. Der Kommentar meines Chefs war: “das hoert sich europaeisch an”. Da hat er wohl recht. Es war recht lustig mit den Pferden, die noch nie auf Teer geritten sind. Sie hatten Angst vor den weissen Streifen. Und so endete ich mit meinem ersten Sprung, da mein Pferd im Galopp entschied, sie muss im hohen Bogen ueber den Mittelstreifen springen. Irgendwann hoerte ich meinen Chef hinter mir rufen. Sein Sattel war kaputt, ein Steigbuegel war abgerissen. Nicht zu reparieren auf die Schnelle, und schon garnicht im Dunkeln. Mit nur einem Steigbuegel ging es dann also die restlichen 2km in Schrittgeschwindigkeit zurueck. Danach wartete mein anderer Chef noch auf uns mit ein paar Snacks und Champagner und wir haben noch ein paar Stunden gesessen und die Saison Revue passieren lassen.

Am Mittwoch gab es schon mit den Nachbarn eine kleine Abschiedsfeier. Einer davon wollte sein selbstgeschlachtetes Schwein praesentieren, sodass wir im Grill gegarten Schweinebraten hatten und ein paar Bier und alte Geschichten. Am Samstag noch ein letztes Fruehstueck, letztes Mal Waesche waschen und Zimmer aufraeumen. Drei Boxen mit Klamotten und anderen Dingen blieben im Schrank stehen und warten dort auf mich, bis ich naechstes Jahr wieder komme. Nachdem ich meine Klamotten von der Leine geholt habe und allen Pferden nochmal eine Umarmung gegeben habe, musste ich auch den anderen Tschuess sagen. Den kaputten Sattel habe ich auch eingeladen, der fuhr mit mir nach Perth, um repariert zu werden. Ich startete los, die Traenen blieben aus, es half zu wissen, dass ich nur ein halbes Jahr weg bin.

Knappe 3000km lagen vor mir. Am ersten Tag musste ich erst noch in Derby einkaufen, tanken und einen letzten Kaffee in meinem Lieblingscafe trinken. Dadurch schaffte ich nur noch 300km, bevor die Dunkelheit einbrach. Ueber Port Headland ging es runter in den Karijini National Park. Diesmal auf die noerdliche Seite. Die Seite, die eigentlich vor Jahren schon von den Landkarten verschwunden ist. Die toedliche Seite. Wittenoom, eine vermeintliche Geisterstadt. Allerdings sind 3 wagemutige Bewohner hartnaeckig geblieben (unter ihnen ein Deutscher), sodass der Staat den Ort noch immer nicht komplett dem Erdboden gleich machen kann. Damals Australiens einziges Asbestabbaugebiet, wurde die Asbestmine 1966 geschlossen, zum einen da nicht rentabel, zum anderen wegen wachsenden Gesundheitsschaeden. Als die Mine schloss, zogen die meisten Arbeiter weiter. Ueber 500 Einwohner zu Hochzeiten, sanken die Zahlen rapide. Als 1984 nur noch 45 Einwohner uebrig waren, fing man an, saemtliche leeren Haeuser zu vernichten, um zu vermeiden, dass neue Leute einziehen konnten. Man schloss die Post, die Polizei, den Supermarkt,... alles um die Stadt unwohnlich zu machen. 2006 wurde dann sogar die Strom- und Wasserversorgung abgeschnitten. Man testete immer mal wieder die Werte, aber die Asbestfasern waren noch ueberall. Man dachte ueber eine Komplettreinigung nach, aber entschied sich dagegen die 2,4Millionen Dollar dafuer auszugeben. Im Grossen und Ganzen ist es eine umstrittene Sache. Andere Meinungen lauten, dass es in der Stadt gar nicht so gefaehrlich waere. Die eigentliche Gefahr liegt in der Mine, beziehungsweise davor. Man hat ueberall Warnschilder aufgestellt. Aber das war es auch schon. Die zerfallene Strasse (mit Asbest geteert) bringt jeden Wagemuetigen durch die traumhaft schoene Schlucht direkt zur Mine. Ohne Absperrungen, ohne irgendwas. Und so fuehrten mich die 13km zu meinem Schlafplatz. Ich suchte mir ein kleines Wasserloch aus, demolierte mir erstmal meine Seite vom Auto, da der Weg doch ein bisschen zu sehr zerfallen war, und fing gleich an zu kochen, da die Dunkelheit bald im Anmarsch war. Als meine Nudeln koechelten schlunzte ich ein wenig herum. Bis dahin wusste ich eigentlich nichtmal, wie Asbest aussieht, also wonach ich Ausschau halten soll. Aber dann sah ich es... blaeulich-schwarze Fasern, einzeln oder im Gestein. Und sie waren ueberall. Es sah schoen aus, schimmernd im letzten Tageslicht. Egal wohin ich sah, an den Steinen, auf dem Weg, im Fluss, an den Klippen, auf dem Weg, in der Bruecke,... Asbest ueberall. Ich bekam eine kurze Panikattacke, wo ich nicht mehr atmen wollte, aber ich fing mich wieder. Die Nacht war unruhig. Ich hatte all die Geistergeschichten im Kopf von den Minenarbeitern, die dort umhergeisterten. Am naechsten Morgen ging es noch ein Stueck weiter, zum Ende der Schlucht. Und dann zu diesen merkwuerdigen blauen Bergen. Ein kleiner Gelaendeweg brachte mich im Auto gemuetlich dort hin. Man konnte zwischendurch fahren, hoeher und hoeher, bis zum Ende der Schlucht, wo ich dann endlich mal realisierte, dass das die eigentliche Mine war. Zu dem Zeitpunkt hatte ich all die Informationen noch nicht. Also stiefelte ich los, durch die blauen Berge, die aus purem Asbest bestanden. Das war das Abbauprodukt, dass damals aus den Minenschaechten gefoerdert wurde. Die Schaechte waren zubetoniert. Aber ueberall lagen noch Maschinen und Geraete herum, die Bahnschienen waren noch zu sehen, aller moeglicher Muell, den die Arbeiter zurueck gelassen hatten. Ueber 7000 Arbeiter sind in den 23 Betriebsjahren dort gewesen, insbesondere italienische und griechische Gastarbeiter. Bisher konnten aber lediglich 85 Todesfaelle direkt auf die Mine geschoben werden. Auch wenn ich mir zu dem Zeitpunkt noch nicht ganz ueber die Gefahr bewusst war, wollte ich mich dann doch nicht all zu lange dort aufhalten. Zwei Australier kamen noch hoch, Arbeiter aus der benachbarten Eisenerzmine. Die hatten eigentlich offizielles Verbot von ihrem Arbeitgeber. Aber sie waren trotzdem da. Und sie hatten eine Drone dabei. Ziemlich interessant, das riesige Gebiet auch mal von oben zu sehen. Ich fuhr wieder raus, sah mich noch ein bisschen in der vermeintlichen Geisterstadt um und fuhr zurueck zum Highway, zurueck auf die andere Seite, nach Tom Price. Dort ging ich in die Touristeninfo und fragte nach Informationen ueber Wittenoom. Darueber duerfen sie nicht reden. Das wurde ihnen vom Staat verboten. Interessant. Egal mit was ich kam, sie blieben hartnaeckig. Als ich ihnen sagte, dass ich eh schon drin war, war ihre Gegenfrage, ob ich auch ja Schutzkleidung getragen habe und ja nicht zu nah an die Mine gegangen bin. Aber natuerlich! Naja, wenn ich in 20Jahren also an Asbestose sterbe, dann weiss ich, dass es von Wittenoom kam. Wie ich hinterher auch gesehen habe, gilt die Mine als einer der gefaehrlichsten verlassenen Orte der Welt. Naja, das ist doch was.

Von Tom Price ging es frisch geduscht und aufgefuellt weiter Richtung Kueste. Mein naechster Stop war Point Quobba, wo ich schon viele Male war, zum Wale beobachten. Viel war diesmal nicht los, nur 5 habe ich gesehen, 3 davon zu weit weg, und bei zweien die naeher dran waren, war ich nicht schnell genug zum Fotografieren. Dann ging es nach Carnarvon, Auto auffuellen, Bananenmarmelade kaufen und Mango-smoothie trinken.

Nach einer weiteren Highway-uebernachtung ging es am naechsten Morgen dann in den Kalbarri National Park. Dort hatte ich einen Ausritt bei der Konkurrenz gebucht. Ich wollte mal sehen, wie die das so machen. Auf dem Weg dahin stoppte ich noch fuer eine Wanderung durch eine Schlucht. Angesetzt waren 3-4Std, also nach australischer Zeit dachte ich, schaffe ich das in 2Stunden. Falsch gedacht! Es war eine echt anspruchsvolle Wanderung, erst entlang des Kammes, dann runter in die Schlucht, dann am Fluss entlang klettern und dann wieder hoch. 3,5Std hab ich gebraucht und ich war eigentlich gar nicht so langsam unterwegs, auch wenn mich die Klettersache ziemlich aufgehalten hat.

Aber ich lag trotzdem noch gut in der Zeit, dachte ich, als ich um kurz vor drei zu meinem “Sonnenuntergangsritt” ankam. Man hatte mir am Vortag keine Zeit gesagt, aber da Sonnenuntergang um halb sieben war, hatte ich nicht mit gerechnet, dass wir vor 17Uhr starten wuerden. Ich kam gemuetlich ins Buero gelaufen und wurde gleich angemault, dass ich eine halbe Stunde zu spaet bin. Die Pferde standen schon gesattelt da, die Fuehrerin kam total genervt angehetzt. Ich musste schnell die Formulare unterschreiben, mich umziehen, Helm finden und los ging es. Sie stellte sich kurz vor und ratterte eine laaaaaange Liste von Regeln runter. Sehr strickt, man fuehlte sich gleich, wie eine Nummer von vielen Tausenden. Ich wurde auf einer Treppe geparkt, sie holte mein Pferd raus, nannte mir seinen Namen (Asterix) und schon musste ich aufsteigen. Er war riesig, im Vergleich zu unseren kleinen Pferdchen. Und er war ein Exrennpferd, wie all die Pferde dort. Eine gute Idee zum einen, da Rennpferde nach ihrer Karriere hier als Hundefutter enden, aber zum anderen ganz schoen gefaehrlich fuer einen Tourismusbetrieb. Wir ritten zum Fluss, sie schrie mir permanent zu, dass ich die Nase meines Pferdes in den Hintern ihres Pferdes stecken soll. Mein Pferd war aber langsamer als ihres, was fuer mich hiess, dass sie mir ebenfalls permanent zu schrie, ich solle mein Pferd treten, damit es schneller laeuft. Von unseren Pferden bin ich gewohnt, dass man sie ab und an mal durch ein leichtes druecken daran erinnern muss, nicht einzuschlafen, wenn sie mal einen faulen Tag haben. Aber bei diesem Rennpferd musste man wirklich treten. Allerdings einigten wir uns nach ein paar Mal darauf, dass er durch einen kurzen Tritt mit einem Trab schnell und heimlich aufholte. Und irgendwann realisierte meine Fuehrerin dann auch mal, dass ich doch genug Erfahrung habe, um das Pferd selbst zu steuern und liess mich auch mal neben ihr reiten, um besser reden zu koennen. Irgendwann kamen wir an eine Stelle, wo sie mich fragte, ob ich galoppieren will. Jap. Natuerlich. Allerdings bereitete sie mich nun 10Minuten darauf vor, fragte mich noch 20Mal, ob ich bereit dazu bin und irgendwann ging es dann auch wirklich mal los. So ein Rennpferd rennt natuerlich ein bisschen schneller als unsere kleinen Gelaendeponies. Und so ein Rennpferd kommt auch sofort in seinen Rennmodus, bzw in seinen “ich-will-gewinnen-modus”. Dementsprechend war ich erstmal ein wenig ueberrascht von den enorm grossen, enorm schnellen Bewegungen. Ich wollte an den Zuegeln ziehen und bekam als Antwort vom Pferd einen eingeknickten Kopf, der mir deutlich machte “Du kannst mich mal! Ich will jetzt rennen!”. Ich konnte ihn also nicht dazu bewegen, ein wenig langsamer zu werden, die einzige Moeglichkeit, die mir blieb, war ihn zumindest hinter das andere Pferd zu lenken, damit er nicht komplett durchbrennt. Sein euphorisches Schnauben verriet mir, dass er auch gerne noch 20km weiter gerannt waere. Irgendwann wurden wir aber mal wieder langsamer. Nun wusste ich, warum sie diese Pferde direkt hintereinander stecken. Da moechte ich nicht wissen, wie oft ihnen da Pferde mit den Touristen durchgehen. Irgendwann kamen wir dann zu dem Punkt, dass wir durch den Fluss ritten, rueber zum anderen Ufer und wieder zurueck. Geschwommen sind die Pferde nicht, sie konnten gerade noch so stehen, aber wir waren nass bis unter die Huefte. Dieser Spass kostet den Betrieb einiges. Die Saettel halten nicht laenger als 1-2Jahre. Die Steigbuegel muessen verrostet alle 2 Monate weggeschmissen werden. Die Schuhe, die sie zur Verfuegung stellen, halten ein halbes Jahr, maximal ein Jahr. Und nach jedem Ritt (mindestens 2 pro Tag, manchmal mit bis zu 17Pferden) muessen Pferde und Zubehoer von oben bis unten gewaschen werden. Puh... da bin ich ja doch gar nicht soooo traurig, dass wir bei uns auf dem Gelaende kein Meer und keinen Fluss haben. Auf dem Rueckweg durfte ich dann nochmal galoppieren. Normalerweise steht das nicht auf dem Plan. Das selbe Spiel, das Rennpferd wollte mir zeigen, was es kann. Diesmal fuehlte ich mich aber zumindest schon ein bisschen sicherer, da ich wusste, was er tun wird. Danach waren wir zu frueh dran und sie fuehrte mich noch ueber einen anderen Weg ein bisschen weiter umher. Wieder machte sie mir deutlich, dass das nicht normal ist und die Pferde deswegen ganz verwirrt sind. Normalerweise haben sie immer exakt den selben Weg, keine Abweichungen, und eben Pferd an Pferd, direkt hintereinander. Fuer mich sahen die Pferde trotzdem noch relativ ruhig aus, ich glaube sie hatte mehr Panik vor dieser “unnormalen” Situation, als die Pferde. Dann kam noch ein kleiner Galopp durch den Busch. Diesmal sogar ganz kontrolliert, da mein Pferd nicht damit gerechnet hat, dass wir galoppieren und dementsprechend langsamer war. Traben tun sie uebrigens mit den Pferden gar nicht, da ihnen zu viele Leute dabei vom Pferd gefallen sind. Sehr komisch, ich fand den Trab meines Pferdes eigentlich echt gemuetlich und gut auszusitzen. Naja, irgendwann waren wir dann wieder zurueck, mussten direkt am Zaun entlang reiten, das waren die Pferde so gewohnt. Wir stiegen ab und fuehrten die Pferde zurueck zum Stall. Dann kam ihre Kollegin an, die sich dafuer entschuldigte, dass sie nicht mitbekommen hat, dass wir kamen. Es ist naemlich normalerweise niemandem erlaubt, alleine abzusteigen oder gar das Pferd zum Stall zu fuehren. Wow! So viele Regeln, unglaublich! Die eineinhalb Stunden waren vorbei, wir waren zurueck von unserem “Sonnenuntergangsritt”, zwei Stunden vor Sonnenuntergang. Sehr merkwuerdig.

Genug erstmal fuer die fleissigen Leser...

 

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