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Der Abschied vom geliebten Land

Der zweite Teil, ueber die letzten paar hundert Kilometer, den Besuch bei meiner alten Arbeit, die letzten Tage bei Rebecca und das praegende Ereignis, das den Start der Reise erheblich schwieriger machte...

...Ich fuhr auf den Campingplatz, den ich dazu gebucht hatte, da ich dachte, ich wuerde erst nach Sonnenuntergang wieder kommen. Nun sass ich da, eingequetscht zwischen all den anderen Campern mit einem Meter Abstand. Das war ja genau mein Ding! Und dann war da noch dieser extreme Wind. Ein extrem kalter Wind. Auch mit Jacke hab ich mir so derbe den Hintern abgefroren, dass ich nach einer Stunde aufgegeben habe. Ich habe noch 13$ mehr bezahlt und bin umgezogen in ein kleines Zimmerchen. Nur ein Bett und ein Nachttisch, aber das hat mir gereicht, denn ich war geschuetzt vorm Wind.

Am naechsten Morgen packte ich langsam zusammen, stand noch eine ganze Weile in der Schlange, als die geschaetzten 50 Leute, die 2 vorhandenen Badezimmer nutzen wollten, und dann ging ich zum Stall, um zu beobachten, wie der morgendliche Ritt so ablaeuft. Es waren 8 Touristen, vier davon Kinder. Jeder einzelne wurde belehrt, auf ein Pferd gesetzt und am Zaun geparkt. Ein Maedchen bekam Panik und fing an zu weinen. Sie wurde sofort, ohne Diskussion vom Pferd geholt. Der Vater beruhigte sie nach ein paar Minuten wieder , sie wollte es nochmal versuchen. Die Antwort war “Nein!”. Sie hatte die Chance vertan. Wow! Wie strickt! Ich kann nicht zaehlen, wie oft ich weinende Kinder auf dem Pferd hatte und nach ein bisschen gut zureden waren alle wieder gluecklich. Hier hatte man anscheinend fuer sowas keine Zeit, man musste jeden nur schnell abfertigen. Der Vater der Kleinen konnte nun dementsprechend auch nicht mitreiten. Die beiden gingen ins Buero und fragten, ob sie Geld zurueck bekommen. Die Antwort war “Nein!”. Sie hatten also 210$ umsonst bezahlt. Nur um das mal nebenbei zu erwaehnen... Diese Besitzer, haben den Betrieb erst vor einem Jahr gekauft. Und die negativen Bewertungen im Internet werden mehr und mehr. Ich habe da so das Gefuehl, die werden sich nicht lange halten koennen. Als der Morgenritt dann endlich mal losgehen konnte, wurden die Leute auch sofort angeschrien, dass sie am Zaun entlang reiten muessen, dass sie das Pferd treten muessen, dass jedes Pferd die Nase in den Vorgaenger stecken muss,... man, man, man. Und auch die beiden Fuehrer waren so komplett ohne Spass an der Sache. Aber naja, man kann ja auch aus Fehlern anderer lernen. In so einem Betrieb moechte ich zumindest nicht arbeiten.

Nach dieser eindrucksvollen Erfahrung ging es weiter Richtung Sueden. Ein kurzer Stopp in Geraldton, Auto ein letztes Mal auffuellen (endlich auch wieder mit Gas) und nach einem interessanten Weg nach unten fragen, den ich noch nicht gesehen habe. Durch die Mitte ging es dann, durch schoenes laendliches Gebiet. Eine kleine Wanderung um ein Sinkloch gab es da. Die Weizenfelder zwischen all dem Gruen sahen doch noch sehr komisch aus, nach der duerren Landschaft im Norden. Eine letzte Highwayuebernachtung mit Resteverwertung als Abendessen. Am naechsten Tag dann das letzte Stueck. Erstmal zu einem Sattler, der etwas abgelegen auf einer Farm lebte, um den kaputten Sattel abzuliefern. Dann zum Gestuet, auf dem ich vor einem Jahr schonmal gearbeitet habe. Ein bisschen was hatte sich geaendert, ein Pferd weniger, aber meine Chefin kuemmerte sich immer noch um 21 teure Sportpferde, die recht nutzlos dort waren. Aber zumindest zahlt sie jetzt eine Freundin dafuer, die Jungpferde einzureiten, um sie verkaufen zu koennen. Ein Anfang. Ich wurde gleich mit eingespannt, 2 Tage Pferdemistschaufeln und das noch bei stroemendem Regen. Ich zog weiter, damit ich nicht fuer immer dort bleibe. Ich fuhr runter nach Mundaring, um erstmal in den Aldi zu gehen. Lebkuchenherzen, Marzipanbrot, Haribo... ich sagte zu mir selbst, ich muss mich entscheiden, ich kann nicht alle drei haben. Dann entschied ich mich, dass ich auf mein Abendessen verzichten kann und spazierte freudestrahlend mit meinen drei Errungenschaften zur Kasse. Schliesslich werden das sehr wahrscheinlich die einzigen Lebkuchen sein, die ich dieses Jahr essen kann. Damit fuhr ich wieder ein Stueck raus aus der Stadt, in den Avon Valley National Park, wo ich die letzte Nacht in Freiheit verbrachte und noch ein vorerst letztes Mal den unbeschreiblich schoenen australischen Sternenhimmel beobachtete.

Am naechsten Morgen ging es dann nun entgueltig in die Stadt. Ich wagte mich das erste Mal seit fast einem halben Jahr wieder in ein richtiges Einkaufszentrum. Es hat sich nicht viel geaendert. Und schon gar nicht ins Positive. Alles war so hektisch. Ich stattete Rebeccas Eltern noch einen kurzen Besuch ab, in den Huegeln vor der Hauptstadt. Und dann fuhr ich runter zu Rebecca. Mein Zuhause weit entfernt von zuhause, immer wieder schoen zurueck zu kommen. Ich wurde den Neuankoemmlingen in ihrer Tiersammlung vorgestellt, hoerte die Neuigkeiten der Kinder, blaetterte durch meine Post und vereinbarte, dass ich mein Auto bei ihr stehen lassen kann. Den naechsten Tag wollte ich nutzen, um letzte Erledingungen zu machen, wie z.B. Passfotos, letzte Einkaeufe, Geld einzahlen, Waesche waschen usw. Doch es kam alles anders. Ein Tag, den ich fuer immer in Erinnerung behalten wuerde. Ich nutzte den Morgen, um Sachen bereit zu legen. Nach dem Mittag fuhr ich los in die Waescherei. Ich schmiss meine Klamotten in die Maschine und setzte mich mit meinem Laptop an den Tisch. Vor mir lag meine Laptoptasche, die 1200$ beinhaltete. Die wollte ich zur Bank nebenan bringen, sobald ich die Klamotten im Trockner habe. Ich hatte versucht, das Geld in den Geldbeutel zu stecken, aber es passte nicht. Zum Glueck. Auf der Laptoptasche lag mein Geldbeutel. Nichtsahnend. Leute kamen und gingen. Ich war darin vertieft, eine Ueberweisung von einem meiner Kontos auf ein anderes zu machen. Nebenbei sah ich einen Afrikaner reinkommen. Er lief zum Schalter, dann drehte er um, rannte los, schnappte sich meinen Geldbeutel und weg war er. Ich fing an zu schreien und rannte ihm nach. Aber in Flipflops war ich nicht schnell genug. Um die Ecke, vorbei an der Kirche, ueber eine brechenvolle Strasse und auf einen grossen Parkplatz. Da habe ich ihn dann verloren. Hunderte von Leuten um mich herum, aber alle sahen mich nur fragwuerdig an. Soviel zum Thema Stadt. Ich rannte zurueck, schliesslich stand mein Laptop noch auf dem Tisch. Die Waeschereibesitzer waren schon da und leiteten mich zu ihrem Telefon. Sie ueberprueften auch gleich das Ueberwachungsvideo und fanden ihn fuer die Taeterbeschreibung. Denn ich konnte mich lediglich daran erinnern, dass er Afrikaner war und etwas rotes trug, entweder der Rucksack oder die Jacke. Zitternd rief ich bei der Polizei an. In so einem Moment gehen einem tausende Gedanken durch den Kopf. Als naechstes rief ich gleich meine australische Bank an, denn die Karte war mit kontaktlosem Bezahlen ausgestattet, sodass der Dieb nicht mal eine Pin dazu gebraucht haette. Leicht genervt wurde ich da von einer Warteschlange in die naechste gesteckt, in der Zeit haette mein Konto schon halb leer sein koennen. Nachdem die Karte gesperrt war, versuchte ich mich zu erinnern, was noch alles drin war und was ich sperren muesste. Die Polizei war recht schnell da. Auf altertuemliche Art und Weise musste die Polizistin meine Anzeige aufnehmen und per Hand auf 5 DinA4-Seiten bringen. Auch wenn sie das Ueberwachungsvideo hatten, viel Hoffnung gab es nicht. Und ob man sich fuer einen kleinen Taschendieb viel Muehe gibt, sei dahin gestellt. Naja, Anzeige war erstattet, viel mehr konnte ich nicht tun. Und da ich in allem Negativen versuche das Positive zu sehen. In dieser Situation lag das Positive darin, dass meine 1200$ noch vor mir auf dem Tisch lagen. Weil sie nicht in den Geldbeutel gepasst haben. Nun waren sie mir eine riesige Hilfe, damit ich meine Reise trotzdem am naechsten Tag starten konnte. Gestohlen wurden also nur um die 70$. Nun waren da aber eben auch noch Fuehrerschein und Ausweis, was zuhause wieder kompliziert geworden waere. Und die Erinnerungen, Fotos, Visitenkarten, Geldscheine aus zig verschiedenen Laendern. Und eben sieben Bankkarten (zwei davon erst neu gekommen, zur Absicherung, falls eine mal nicht mehr funktioniert). Das Witzige war ja, dass auf meiner Einkaufsliste ein Geldbeutel stand. Einen kleinen einfachen wollte ich haben, wo nur das noetigste drin sein sollte, damit es nicht so schlimm ist, falls er im gefaehrlichen Asien gestohlen wird. Haha! Da kam es dann wohl doch anders, als gedacht. Naja, ich musste mich wieder fangen, ich konnte ja eh nichts in dem Moment tun. Ich steckte meine Waesche in den Trockner (den bekam ich kostenlos, da mein vorher gewechseltes Kleingeld ja nun auch weg war) und telefonierte, um mir den Frust von der Seele zu reden. Danach fuhr ich ins Einkaufszentrum und wollte erledigen, was ich erledigen musste. Allerdings fand ich mich andauernd wieder irgendwo verwirrt und planlos umherirren. Also gab ich auf fuer den Tag. Die meisten Geschaefte hatten eh schon zu.

Die letzte Nacht in Australien. Am naechsten Morgen startete ich frueh. Die Rucksaecke waren soweit gepackt. Ich versuchte auf die Schnelle noch Bankkarten zu bekommen. Aber natuerlich mussten die erst gedruckt werden und brauchten mindestens zwei Tage. Und auf der Post und in Reisebueros gab es aufladbare Kreditkarten, aber dafuer musste man Australier sein. Bloedsinn! Also blieb mir nichts anderes uebrig, als mit dem bisschen Bargeld loszureisen, alles gut zu verstecken und darauf zu hoffen, dass es mir reicht. Ich bekam meine Passbilder, die restlichen Einkaeufe, Apotheke, alles erledigt. Nur noch Flugtickets und Visas drucken und dann bin ich bereit. Ich stiefelte in die Buecherei, wollte wissen, wie ich drucken kann und da sagte man mir, ich muesse Mitglied sein. So ein Bloedsinn! Man war ich wuetend! Die einzige Buecherei in ganz Australien, wo man nichts drucken durfte. Und ich hatte keine Zeit mehr, irgendwo anders hin zu fahren. Ich rief noch mal bei der Polizei an, um nach einem Wunder zu fragen, aber natuerlich wurde nichts gefunden. Zurueck bei Rebecca machte ich alles schnell, schnell fertig, verstaute noch die letzten Dinge im Auto, machte den Kuehlschrank sauber und wusch mein dreckiges Geschirr. Um halb zwoelf war vereinbart, Rebecca wollte mich schnell in ihrer Mittagspause an den Bahnhof fahren. Nun mussten wir allerdings schnell noch ihren Drucker in Gang bringen. Andernfalls haette ich schon am ersten Flughafen umkehren koennen. Nach ein paar Versuchen war das auch getan, wir rannten zum Auto, sie liess mich vorm Bahnhof raus und ich kam genau rechtzeitig, um gleich in den Zug zu steigen. In Perth musste ich in einen Bus umsteigen und nach eineinhalb Stunden war ich am Flughafen. Nach dem Einchecken fiel mir erstmal auf, dass ich den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte vor lauter Hektik. Aber ich hatte noch genug Zeit fuer eine letzte Australische Mahlzeit, auch wenn die schwierig zu finden war bei all den asiatischen Restaurants. Das war es dann also. Zwei Jahre Australien waren rum. So schnell verging die Zeit. Ein neues Abenteuer lag vor mir. Auch wenn ich zu dem Zeitpunkt so gar keine Lust mehr darauf hatte...

Ergaenzung zu der Diebstahlsache: eine Woche spaeter bekomme ich eine Nachricht von einem Afrikaner auf Facebook, der mich fragt, ob ich meinen Geldbeutel verloren habe. Er haette ihn an der Strandpromenade gefunden. Nach einigen Nachrichten zwischen ihm und mir und Rebecca und mir und der Polizei und mir und Rebecca und der Polizei, haben wir ihn dazu ueberredet, den Geldbeutel auf der Polizeistation abzugeben. Das hat er auch getan und als ihn Rebecca einen Tag spaeter abholen wollte, war er nicht da. Weitere Emails zwischen mir und der Polizei veranlassten dann meine Polizistin selbst nach zu sehen. Und siehe da, der Geldbeutel ist wieder aufgetaucht. Es scheint soweit noch alles drin zu sein, ausser eben das Bargeld. Naechste Woche geht er in die Post nach Deutschland. Die gesperrten Karten nuetzen mir eh nichts mehr, aber zumindest brauche ich mir um Ausweis und Fuehrerschein keine Gedanken zu machen, wenn ich wieder in Deutschland bin.

 

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