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Nepaltrekking - Poonhill

Das Wandern begann. Ich hatte mir Genehmigungen geholt fuer 12 Tage, was mir ein bisschen Spielraum gab, fuer den Fall, dass ich doch viel langsamer war, als erwartet. Ich ging noch gemuetlich Fruehstuecken, packte in Ruhe alle Sachen zusammen, die ich im Hotel liess und hatte meinen Wanderrucksack bereit, mit geschaetzten 7kg. Hoert sich nicht viel an, aber nach einigen Stunden laufen fuehlte es sich an, wie 20kg.

Ich lief los, schnappte mir das erste Taxi und wurde erstmal ueber den Tisch gezogen. Laut Touristeninformation sollte es 250Rupien kosten. Ich fragte nach dem Preis, er sagte 200, also stieg ich ein. Er fuhr langsam los und fragte nochmal. Natuerlich hatte er das falsch verstanden. Ja, ist klar. Nein, zu der Haltestelle sind es 400Rupien. Er fuhr schon, also konnte ich nicht mehr viel machen. Auf 350 hab ich ihn noch runter gehandelt. Nur um das zu verdeutlichen, das sind rund 3Euro, kein hoher Preis, aber mir ging es ums Prinzip. Er brachte mich zu einer Bushaltestelle, wo ich gleich 20 Einheimische um mich herum hatte, die mir helfen wollten. Ich sagte, wo ich hin will und wurde in einen klapprigen alten Bus gesetzt, mit dem Kommentar, dass er erst um 12Uhr abfaehrt. Es war 11.05Uhr. Das hiess, ich hatte den letzten Bus um wenige Minuten verpasst. Nun musste ich also warten. Aber so hatte fast jeder an der Bushaltestelle die Moeglichkeit zu mir zu kommen, mich nach Namen und Herkunft und Ehemann zu fragen und mir zu erzaehlen, dass sie Cousins und Onkel haben, die in Deutschland studieren.

Als wir dann endlich losfuhren wurde der Bus voller und voller. Alles wurde reingequetscht. Menschen, Reissaecke, Heuballen, Kisten mit Obst und Gemuese, ein Klo, eine Ziege. Die Fahrt zog sich in die Laenge. Hier hat man den Sinn einer Bushaltestelle noch nicht ganz verstanden, sondern man sammelt die Leute einzeln unterwegs ein, manchmal im Abstand von 20 Metern. Und beim aussteigen das selbe. Dann waren wir schon gut 1.5Stunden unterwegs, als eine Mittagspause eingelegt wurde, nur wenige km vorm Ziel. Das hat mich schon ein wenig aufgeregt. Nach 20Minuten sind wir weiter gefahren, 15 Minuten und dann waren wir am Zielort. Allerdings erst am Anfang. Also machte man mir deutlich, ich solle noch sitzen bleiben. Dann quetschten wir uns durch die enge, ueberfuellte Hauptstrasse, Stueck fuer Stueck und stoppten alle 5Meter um etwas ein oder auszuladen. Nach ca. 400Metern, fuer die wir mehr als eine halbe Stunde gebraucht haben, stoppte der Bus, er schaltete den Motor aus, alle stiegen aus und ich war allein. Mhhhh... war ich nun da oder ging es noch weiter? Nach fuenf Minuten fand ich mal den Bushelfer, der mich scheinbar vergessen hatte und nun kam, um mir zu sagen, dass wir am Ziel waren. Er zeigte mir die Richtung, in die ich wandern muss. Nun war es mittlerweile schon halb drei.

Ich lief trotzdem los, kam irgendwann an einen Kontrollpunkt, wo meine Genehmigungen kontrolliert wurden und man mir sagte, ich koennte es noch zum naechsten Ort schaffen, es sind nur 3 Stunden. Ich habe vier Stunden gebraucht, aber zumindest habe ich die ersten Wanderkilometer noch geniessen koennen. Neben dem Fluss ging es ueber eine Schotterstrasse immer weiter nach oben. Ab und an wurde man ueber Steinstufen und Haengebruecken mal zu kleinen Doerfern geleitet. In einem fand ich dann einen Begleiter. Ein wuscheliger schwarzer Hund, der mich gut zwei Stunden begleitete und immer brav auf mich wartete, wenn ich zu langsam war und Schmiere stand fuer Pinkelpausen. Man begegnete nur Einheimischen, die einen laechelnd ein “Namaste” zuriefen. Alle anderen Wanderer waren wahrscheinlich schon viel frueher gestartet. Ich schaffte es noch vor Dunkelhei in ein kleines Dorf nahe dem Tagesziel. Die letzten Meter gingen schon ueber hunderte von Stufen, also entschied ich mich dort zu uebernachten. Ich bekam auch gleich ein Zimmer, fuer umgerechnet einen Euro.

Ich hatte genug geschwitzt fuer den ersten Tag. Ich goennte mir eine heisse Dusche in einem kalten Schuppen neben dem Haus und fand erst am naechsten Morgen heraus, dass ich dafuer 2Euro zahlen musste. Naja, ich habe nach und nach dazugelernt. Ich ging in die Kueche der Familie, wo ich mein Abendessen und Fruehstueck bestellte. So lief das immer ab. Man musste bis spaetestens fuenf Uhr bestellen, damit die Hausherren wussten, was und wann sie kochen muessen.

Der Staat hat ein System eingefuehrt, dass eine Speisekarte fuer jeden Wanderweg vorgibt, mit vorgeschriebenen Preisen. So entsteht kein Konkurrenzdenken unter den Gasthaeusern und die Touristen werden nicht abgezockt. Und jedes Gasthaus muss in der Lage sein, alles auf der Karte kochen zu koennen. 3 verschiedene italienische Nudelvarianten, gebratene Nudeln, gebratener Reis, die Nepali Variante von Reis mit Linsen, das beruehmte Nationalessen Momos (gefuellte Teigtaschen, geduenstet oder frittiert), Sandwich, Salate (nicht die beste Idee anhand der hygienischen Bedingungen), handgemachte Pommes,... man konnte sich ueber die Auswahl eigentlich nicht beschweren. Und jedes Gasthaus brachte sein eigenes Aroma dazu. So konnten auch mal Spaghetti Bolognese feurig scharf sein. Zum Fruehstueck gab es bei mir meist tibetisches Fladenbrot mit Marmelade. Man haette aber auch Eier und Schinken und Bohnen bekommen koennen. Oder Suppen, fuer die Asiaten. Oder eben wieder Reis mit Linsen, fuer die Nepalesen.

Die Gasthaeuser waren absolut spartanisch. Man muss bedenken, dass all die Baumaterialien per Pferd, Yak, Esel oder Packjunge dort hoch gebracht werden. Also werden auch die Betten erst vor Ort zusammen gezimmert. Und mehr als Betten gibt es in den Zimmern mit Betonboden und Holzwaenden auch nicht. Das heisst, man kann sich sicher sein, denjenigen schnarchen zu hoeren, der 5 Zimmer nebenan liegt. Matratzen gab es manchmal Richtige, aber meistens waren es nur harte, ungemuetliche Strohmatratzen. Aber man hatte ja keine Ansprueche. Decken konnte man auf Nachfrage bekommen. Aber gewaschen werden die wahrscheinlich nur einmal im Jahr. Deswegen war ich recht froh, dass ich mit Schlafsack unterwegs war. Der stellte sich aber, trotz des neuen teuren Innenschlafsacks, der eigentlich 15Grad hinzutun sollte, als viel zu kalt heraus, sodass ich um die dreckigen Decken dankbar war. Essen gibt es im “Wohnzimmer”, wo sich alle um einen selbstgebauten Lehmofen versammeln, der zumindest ein bisschen Waerme abgibt, aber hauptsaechlich nur den Raum mit Rauch fuellt. Deswegen ist meist gegen acht oder neun Uhr schon Bettgehzeit fuer jeden. Zum einen, weil man muede ist, zum anderen, weil die Augen im Qualm zu sehr brennen. Vom warmen Wohnzimmer ging es dann meist direkt ins Bett, da die Zimmer eisig kalt waren, Fenster und Tueren meist mit riesigen Luecken eingebaut. Und draussen gibt es dann noch eine Toilette, meist nur ein Loch im Boden. Und mit etwas Glueck findet man noch seperat eine Dusche, manchmal sogar mit warmen Wasser. Wo es keine Dusche gibt, kann man fuer 2-5Euro einen Eimer warmes Wasser bestellen, den man dann in die Toilette gestellt bekommt, um sich waschen zu koennen. Ich bin also irgendwann auf Erfrischungstuecher und Deo umgestiegen.

Am naechsten Morgen ging es gut erholt weiter. Ich verfluchte noch immer meine Wanderstoecke, war aber schon sehr bald sehr gluecklich darueber, dass ich sie hatte. Nach einer weiteren Stunde ueber Stufen nach oben, hatte ich mein Tagesziel vom Vortag erreicht. Da hatte ich schon genug von Stufen. Als ich startete, sagte man mir, es waeren 6Stunden bis nach Ghorepani. Wie ich schmerzlich feststellen musste, ausschliesslich ueber Stufen erreichbar. Ich quaelte mich fuer drei Stunden die Stufen hoch, als ich einen Wegweiser fand, der behauptete, es waeren noch 5,5Stunden. Kann eine Wanderung deprimierender sein?! Stufe, ueber Stufe, ueber Stufe, quaelte ich mich langsam weiter. Alle paar Meter stand ein klappriges Pony mit traurigem Blick und sein Besitzer daneben, der die Verzweiflung in den Wanderern sah und seinen Dienst anbot. Zum Glueck gibt es nicht viele Leute, die diese Tierquaelerei unterstuetzen. Eine Amerikanerin gab am naechsten Tag auf. Sie wog sicher 100kg und das duerre Pferdchen, so gross wie ein Esel, hatte sichtlich Probleme, dem Stand zu halten, waehrend sein Besitzer hinter ihm lief und den Stock ausgiebig nutzte, um es anzutreiben. Die Opfer des Wandertourismus in Nepal...

Weitere Opfer sind, wie ich finde, die “Porter”, also die Nepalesen, die das Gepaeck schleppen. Mit max.10$ am Tag (wovon das Meiste bei der Agentur landet, fuer die sie arbeiten) kein fair bezahlter Beruf, dafuer dass sie sich so kaputt machen. Die Maenner hier sind selten groesser als 1.65m, tragen aber bis zu 100kg, meist in Koerben auf dem Ruecken, gehalten von einem Band um die Stirn. Dementsprechend sind sie beim Schleppen konstant nach vorne gebeugt. Mit einem Porter hatte ich oefters gemeinsam Pause gemacht. Er wurde von 3 Maedels angeheuert, ein bisschen juenger als ich. Er musste knappe 60kg fuer sie schleppen. Wohlgemerkt fuer einen 5TagesTrek. Was zum Teufel schleppen die denn alles mit?! Und haben die denn kein Mitleid fuer den Mann? Ich wuerde mich da echt schaemen. Wenn man eine 3 Monate lange Expedition auf den Everest machen will, kann ich das ja alles verstehen, dass man jemanden anheuert, der einem Sachen schleppt. Aber fuer einen so kurzen Weg kann man wohl seinen Kram auch selbst schleppen und dann eben auch mal auf Laptop, Smartphone, 10 Ladekabel, Makeup, Foen und Abendkleid verzichten. Unglaublich. Aber keine Seltenheit.

Irgendwann kam ich am Ziel an, die Sonne ging gerade unter. Aus besagten 6 Stunden sind acht geworden und ich war absolut ueber meine Grenzen hinaus gegangen. Meine Oberschenkel schmerzten und verkrampften und der extreme Muskelkater war vorhersehbar. Aber zumindest war ich nicht die einzige Leidende. Und auch nicht die einzige Langsame. Ein Portugisin mit der ich eine Weile unterwegs war, kam erst 1.5Stunden spaeter an. Der Abend endete frueh, mit einem halbaufgegessenen Abendessen. Ueber die letzten Stunden hatten sich Magenkraempfe aufgebaut von unbeschreiblich schmerzhaften Ausmassen. Ich hatte Schuettelfrost, den ich auch mit drei Decken nicht stoppen konnte. Ein leichter Kopfschmerz machte sich bemerkbar. Und die Uebelkeit wollte nicht aufhoeren. Willkommen auf 3000Metern Hoehe in den Himalayas!

Am naechsten Morgen ging es mir zum Glueck wieder besser. Der Wecker klingelte um kurz vor fuenf. Ich zog alle Klamotten an, die ich hatte. Um die -4°C waren es. Klingt fuer euch jetzt vielleicht nicht so kalt, fuer mich Moechte-Gern-Australierin waren das allerdings arktische Konditionen. Ueber ein paar hundert Stufen mehr ging es weitere 400m nach oben zum Poon Hill. In meiner Karte waren 45Min hin und zurueck angeschrieben, am Wegweiser standen 45Min hoch und im Gasthaus sagte man mir, es sei eine Stunde nach oben. Letzteres war richtig. In der Dunkelheit mit Taschenlampe bewaffnet zitterte ich meinen Weg hoch. Zusammen mit geschaetzten 300 anderen Wanderern. Oben erwartete einen ein ueberfuellter Aussichtspunkt mit toller Landschaft. Ein 360°Panorama eroeffnete atemberaubende Blicke auf all die 8000er des Annapurna-Massivs. Wahnsinn! Und dann warteten wir alle in der eisigen Kaelte auf den Sonnenaufgang. Viel magischer waere das Ganze gewesen ohne das andauernde Gemurmel und Geschreie von all den Menschen um einen herum. Aber naja, man kann nicht alles haben.

Nach dem Spektakel ging es wieder zurueck ins Hotel zum Fruehstuecken. Dann hiess es Rucksack packen und weiter. Das Tagesziel hiess Ghandruk, sollte 6Stunden entfernt sein. Es begann recht gut... ohne Stufen, bergauf und bergab. Zum Anfang war ich noch mit einem Englaender und einer Deutschen unterwegs. Aber er wollte uns beweissen, was fuer ein toller Pfaertenleser er ist und blieb staendig stehen, um seine Karte zu studieren, mit dem Kompass abzugleichen und uns zu erzaehlen, dass wir falsch sind. Waren wir natuerlich nicht, denn es gab ueberall Hinweisschilder, die die Orientierung sehr leicht machten, auch ohne Kompass und Karte. Er wurde mir irgendwann zu viel und ich ging wieder alleine weiter. Ich habe die beiden auch nicht nochmal gesehen. Wahrscheinlich haben sie sich irgendwo verlaufen, weil es sein Kompass besser wusste. Naja, nett waren sie.

Irgendwann kam man an einen Aussichtspunkt, der einen die morgendliche Wanderung zum Poon Hill als sinnlos erschienen liess. Auf der selben Hoehe, mit dem selben Panorama, nur eben mit 298 weniger Leuten, waere das die bessere Alternative fuer den Sonnenaufgang gewesen. Irgendwann nach den ersten 3 Stunden kamen dann auch wieder die gehassten Stufen. Nur stellenweise noch ein wenig steiler und schwieriger. Mein Rucksack fuellte sich an, wie 50Kilo, mein Ruecken schmerzte unbeschreiblich. Wieder ging ich weit ueber meine Grenzen hinaus. Hauptsaechlich deswegen, weil ich noch mitten im Nirgendwo war. Der erste Ort der kam ( noch 1.5Std entfernt vom Tagesziel), war nach 7.5Std erreicht, sodass ich mit der morgendlichen Wanderung auf fast 10Stunden an dem Tag kam. Zu viel. Ich wollte das naechstbeste Hotel nehmen, allerdings wollte man mir kein Zimmer geben, da ich allein unterwegs war. Alle behaupteten sie seien voll. Nachdem ich alle 9 Gasthaeuser versucht hatte, wollte ich aufgeben und mich eben noch eine halbe Stunde zum naechsten Gasthaus schleppen. Allerdings kam dann ein Haendler auf mich zu, der mir sagte, er besorgt mir Zimmer. Wir drehten uns um, er sprach mit dem Hotelbesitzer, der mir gerade eine Minute vorher sagte, sie seien voll, und schwupps hatte ich ein Zimmer fuer 2Euro, mit der Bedingung, dass ich teilen muss, falls noch jemand ankommt. Geht doch. Den Sonnenuntergang genoss ich mit Ausblick auf die Berge, bevor ich mich ins “Wohnzimmer” zu den anderen gesellte. 3 Franzosen, die kaum Englisch sprachen und ein Brite, der in einem miserablen Hoehenkrankheitszustand zitternd und sprachlos vorm Feuer sass. Und die dazugehoerigen Guides und Porter, die nur die Standardunterhaltung mit Namen, Herkunft und Ehemann in Englisch sprechen konnten. Das Gasthaus war also nicht mal halb voll. Und nach mir kam auch keiner mehr. So viel dazu.

Der erste Teil der Wanderung war geschafft. Nun machte ich mich auf den Weg zum zweiten Wanderweg, dem Mardi Himal Trek.

 

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