Der erste Teil der Wanderung war geschafft. Nun machte ich mich auf den Weg zum zweiten Wanderweg, dem Mardi Himal Trek.
Der naechste Tag kam, man sagte mir, es erwarten mich 3 Stunden Wanderung nach Landhruk, es wurden 6Std. Ich verstehe wirklich nicht, wie die hier die Zeiten messen. Es war bis dahin der schoenste Wanderteil, anfangs relativ eben, mal hoch und mal runter, ohne Stufen. Es ging durch einen Rhododentron- und Bambuswald, voller Moos. Ich war die Erste an dem Morgen. Ich kreuzte den Weg mit zwei Jungs, die singend ca. 15 Packesel, -mulis und -pferde mit der Lieferung von Gasflaschen und Wasserkanistern durch den Wald trieben. Danach war wieder Stille. Und ploetzlich raschelte es ueber mir und neben mir und vor mir. Um mich herum waren geschaetzte 30 Langurenaffen, die in den Baeumen umherhuepften. Ich beobachtete sie eine ganze Weile, bevor mich ein lautes, grosses Rascheln neben mir weiter trieb. Ich war mir durchaus bewusst, dass es Baeren, Schakale, Leoparden und Schlangen in der Gegend gab. Deswegen wollte ich nicht herausfinden, was da raschelte. Selbst wenn es nur ein Yak gewesen waere. Die Affen beobachteten mich genau, als ich unter ihnen durch ging. Aber ich war mir eigentlich gar nicht sicher, ob sie gefaehrlich waren oder nicht. Meine Erfahrungen mit Affen begrenzen sich auf den Affenberg Salem, wo einem an den Haaren gezogen wird und Sonnenbrillen geklaut werden, usw. Aber wie ich spaeter erfuhr, waren es nicht diese, sondern die roetlichen Rhesusaffen, die gefaehrlich werden konnten. Bei einer Pause traf ich auf einen Amerikaner. Er war schon 34 Tage unterwegs, wandern. Puh! Das waere mir ja mal nichts. Danach kam wieder ein Rascheln am Weg. Diesmal war es ein Sambahirsch. Das sind so die Vorteile, wenn man frueh startet und ohne Gruppe unterwegs ist.
Irgendwann schaffte ich es dann auch mal nach Ghandruk. Jede Menge Leute begegneten mir, die gerade erst ihre Wanderung starteten und mich nach Weg und Wetter auf der anderen Seite fragten. Der Ort zog sich in die Laenge, abfallend, ueber Stufen. Ich brauchte eine Stunde, um von einem Ende zum anderen zu kommen. Stelle ich mir schrecklich vor, wenn man hier wohnt und muss das taeglich mehrmals zum Wasserholen rauf und runter laufen. Zwischendrin entdeckte ich eine “German Bakery”. Das musste ich doch probieren. Ich stellte schnell fest, dass die Zimtschnecke, die in der Microwelle aufgewaermt wurde, wenig mit deutscher Baeckerei zu tun hatte. Wie in so vielen (wenn nicht allen) deutschen Baeckereien in Nepal.
Nervig in diesem Ort waren die vielen, vielen Reisegruppen, hauptsaechlich Nepalesische Teenager, die Schlange standen, um mit mir ein Foto zu machen. Wenn ich nein sagte, warteten sie bis ich mich umdrehte und machten ein Selfi mit mir im Hintergrund. Man, regte mich das auf! Es waren sicher 50 Anfragen. Ich kam mir vor, wie der erste weisse Mensch, der nach Nepal kam. Und eben das eindringliche Starren von allen Seiten. Ich war froh, als ich wieder auf ruhigere Wege kam.
Ich musste 600m ueber Stufen nach unten, um danach wieder 600m auf der anderen Seite des Flusses nach oben zu gehen, ueber Stufen natuerlich. Allerdings stellte ich fest, dass ich weder meine schmerzenden Beine, noch meinen schmerzenden Ruecken sonderlich merkte. Vielleicht hatte ich nun den Punkt erreicht, wo die Qualen in Gewohnheit uebergingen. Auf dem Weg nach unten ging ich an Huetten vorbei, vor denen ueberall Kinder spielten oder arbeiteten. Es gab einen neuen Gespraechsverlauf: “Hallo! - Wie heisst du? - Wo kommst du her? - Bist du verheiratet? - Hast du Schokolade? - Hast du Rupien?”. Jedes einzelne Kind stellte mir exakt die selben Fragen. Und jedem einzelnen Kind sagte ich, dass ich keine Schokolade habe und gab ihnen auch kein Geld. Als ich mich ein paar hundert Stufen hoch gekaempft hatte, laechelte mich eine Frau an, die vor dem ersten Hotel sass, dass der Ort zu bieten hatte. Eigentlich wollte ich noch weiter hoch, aber ich hatte genug getan an diesem Tag, sie war freundlich und bot mir ein Zimmer mit Bad fuer 2 Euro an, also konnte ich nicht nein sagen. Es kam sonst niemand, also hatte ich das Gasthaus fuer mich allein. Und ein Bad im Zimmer. Mit heissem Wasser. Was fuer ein Luxus. Ok, das mit dem heissen Wasser hat erstmal nicht so ganz geklappt. Ich sollte 10 Minuten warten, sie hatte es gerade angeschaltet. Nach 15 Minuten stand ich in der Dusche und musste nochmal 10Minuten bei laufendem Wasser warten. Es war Waschtag. Ich wusch noch ein paar stinkige, verschwitzte Klamotten mit meinem Stueck Seife und wusch mir auch noch die Haare, da ich nicht wusste, welche Moeglichkeiten mir danach weiter oben noch so blieben. Dann wollte ich mich in die Sonne setzen zum trocknen, aber natuerlich kam genau dann die einzige Wolke des Tages vor die Sonne gezogen. Es wurde kalt. Aber ich sass trotzdem noch draussen vor meinem Zimmer, mit dem bisher schoensten Hotelausblick auf ein wunderschoenes Bergmassiv. Spaeter beobachtete ich noch den Sonnenuntergang. Den finde ich immer komisch auf der Hoehe. Im Tal ist es schon stockdunkel und die hohen Berge sind auch eine Stunde spaeter noch rot beleuchtet. Es zieht sich extrem lang hin.
Mein Abendessen genoss ich allein in dem Gasthaus. Was darin resultierte, dass die Gatswirtin und ihre Schwester mich von der Kueche aus eindringlich beobachteten, bis ich den letzten Bissen unten hatte. Ein bisschen langweilig war das ja schon, dass ich dort die Einzige war und die Gastwirtin konnte ziemlich gar kein Englisch. Ich hatte mein Buch zum lesen und ab und an eine Runde Snake auf dem Handy. Aber das war es auch schon. Das Handy schonte ich, da ich kein Ladegeraet dabei hatte. Und immer nur Lesen war auch doof. Nicht mal SMSschreiben ging, es gab keinen Empfang. Das Witzige ist aber, dass man, egal wie abgelegen, in fast jedem Gasthaus Internet bekommt. Aber Handyempfang gibt es nicht. Zum Vorteil fuer Smartphone-besitzer, zum Nachteil des Sozialen.
Am naechsten Tag kam dann der Megamuskelkater. Wow! So schlimm haben meine Muskeln noch nie geschmerzt. Oberschenkel vom Hochgehen, Waden vom runtergehen, Schultern vom Schleppen, Arme von den Stoecken. Und es begannen sich Blasen zu bilden an jeder Stelle meiner Fuesse. Noch nichts extremes, aber ich wartete nur darauf, irgendwann Blut im Schuh zu finden.
Ich startete nach dem Fruehstueck und hatte gleich wieder einen wuscheligen schwarzen Begleiter. Er schien erkaeltet zu sein und war schneller ausser Atem, als ich. Irgendwann kam der Abzweig zum Mardi Himal Trek, wo ich mich kurz mit einem anderen Wanderer unterhielt, bevor ich mit meinem Hund weiter zog. Dann traf ich kurze Zeit spaeter die dazugehoerige Partnerin. Es stellte sich heraus, dass es Berliner waren. Er Bergfuehrer, sie Freiluftkinobesitzerin. Zwei gute Gespraechspartner und sie hatten genau das richtige Tempo. Sie waren sogar langsamer als ich, da sie oft zum Reden oder zum Fotografieren stehen blieben. Der Weg fuehrte uns 1200Hoehenmeter nach oben. Langsam, ohne Stufen, durch den moosigen Rhododentronwald. 3 Std waren angesetzt, 4,5Std haben wir gebraucht. Beruhigend, dass ich nicht die Einzige war, die staendig laenger brauchte, als angesetzt. Uebrigens waren die Beiden bei Tag Nummer 27 ihrer Wanderung, beladen mit grossen, schweren Rucksaecken. Und sie waren andauernd am Streiten. Ich glaube, sie waren ganz froh, mich in der Mitte zu haben, um nicht all zu oft miteinander reden zu muessen.
Im Forest Camp angekommen trennten sich unsere Wege, da sie dort blieben und ich noch weiter wollte. Es war erst 12Uhr, die naechste Etappe waren nur weitere drei Stunden. Nun war ich unterwegs mit einem Niederlaendischen Mutter-Tochter-Gespann und ihrem Guide und Porter. Mehr oder weniger, denn die Tochter war zu schnell fuer mich und die Mutter zu langsam. Aber man traf sich immer wieder mal in den Pausen. Ich schaffte es tatsaechlich unter der angegebenen Zeit am Ziel anzukommen. Das erste Mal. Im Lowcamp gab es dann wieder die Diskussionen um ein Zimmer. Ich habe es dann bekommen, wieder mit der Bedingung teilen zu muessen, wenn noch jemand ankommt. Aber ausser einem russischen Paerchen war eh keiner in den Zimmern. Allerdings baute man gerade und hatte jede Menge Maenner von der Umgebung zusammengetrommelt zum Helfen. Und die uebernachteten auch alle dort im Wohnzimmer. So kam es, dass ich mein Abendessen hatte, umgeben von 15 Nepalimaennern, die mich konstant anstarrten. Und ausser dem Gastwirt und seinem Bruder sprach keiner Englisch. Was fuer ein unangenehmer Abend.
Am naechsten Morgen machte mir der Bruder noch klar, dass sein anderer Bruder ein Gasthaus am naechsten Ziel hat und ich soll doch dahin kommen. Ok. Ich lief los, war nun auf 3200 Hoehenmeter. Keine 10Minuten spaeter ging es los. Kopfschmerz, Schwindel, Uebelkeit,... die Hoehenkrankheit hat mich wieder eingeholt. Es ging gemuetlich durch den Wald, wieder sind mir ein paar Affen begegnet. Aber eigentlich hat mich das alles gar nicht interessiert. Ich konnte kaum atmen, die Luft wurde immer duenner. Ich machte staendig Pausen, trank meine 2 Liter schon auf der Haelfte der Strecke und musste nachfuellen. Ich ueberlegte hin und her, ob ich nicht doch lieber umdrehen sollte. Die ganzen Geschichten von all den anderen Wanderern, die evakuiert werden mussten wegen der Hoehenkrankheit machten mir Angst. Aber ich nahm mir Zeit. Ich hatte ja den ganzen Tag. 3Stunden sollten es sein, ich brauchte fast 7. Aber ich kam an. Und der Bruder des Gastwirtes wartete schon auf mich. Er hatte ein Zimmer fuer mich reserviert, dass ich mir mit einer netten Hollaenderin teilte. Er gab mir Tee und Knoblauchsuppe (das Hausmittel gegen die Hoehenkrankheit). Und es ging mir schon bald besser. Aber trotzdem liess ich mir die Option offen, am naechsten Tag abzusteigen, wenn es wieder kommt. Ein junger Guide war auch noch dort, der auf seinen schlafenden Kunden wartete. Mit ihm hatten wir eine aufgeheizte Diskussion ueber Nepal, das Muellproblem, den Wandertourismus usw. Er war definitiv gegen alles, was die nepalische Regierung tat. Aber es war interessant, das ganze mal aus der Sicht eines Einheimischen zu hoeren. Danach traf noch ein Tuebinger Mutter-Tochter-Gespann ein. Der Nachmittag war komplett bewoelkt, doch zum Sonnenuntergang zog alles auf fuer ca 10Minuten. Wir stuermten alle nach draussen, um Fotos zu machen und den Blick zu geniessen. Wir waren auf 3800m und es war eisig kalt. Ich war in meinen Flipflops und nur einer Fleecejacke unterwegs, als ich die zwei Berliner wieder traf und mich festquatschte. Absolut erfroren kam ich dann irgendwann mal wieder in die warme Stube. Die anderen kannten die Beliner auch schon. “Ach, das Paerchen, dass sich staendig streitet”, hiess es von den Tuebingern und der Hollaenderin. Es war also ein schoener Abend, mit guten Gespraechen und gutem Essen.
Mit uns in der Huette waren auch noch 2 Chinesinnen und ihr Guide. Was man hier im Highcamp normalerweise tat, war um vier Uhr morgens zu starten, um beim Sonnenaufgang am Aussichtspunkt zu sein. Wir waren uns alle einig, dass wir nicht in der Dunkelheit mit Stirnlampen einen Berg hochklettern wollten. Das kam auch unserem Gastwirt zu gute, da er nicht so frueh aufstehen musste, um Fruehstueck zu machen. Wir bestellten unser Essen fuer halb sechs, sodass wir dann kurz nach sechs starten konnten. Puenktlich zum Sonnenaufgang waren wir dann schon auf einem Kamm, der atemberaubende Sonnenaufgangsaussicht genug bot. Und der Wanderweg war so steinig, uneben und gefaehrlich, dass wir sehr froh waren, das nicht in der Dunkelheit gemacht zu haben. Aber es war kein guter Start fuer mich. Ich hatte meine Handschuhe vergessen und meine Haende waren schon sehr bald an den Stoecken erfroren. Dann hatte ich meine Sonnenbrille vergessen, meine Muetze und meine Sonnencreme. Das sollte mir beim Abstieg zum Verhaengnis werden. Ich war ohne Rucksack unterwegs, da man uns sagte, es sei eine 3Stunden Wanderung. Natuerlich war das wahrscheinlich wieder von einheimischen gemessen, die die Strecke jeden Tag hoch und runter rennen. Fuer uns wurden es qualvolle, aber lohnenswerte sieben Stunden. Die Luft wurde immer duenner. Auch wenn die Hoehenkrankheit nicht wieder kam, ging alles nur sehr langsam, mit jeder Menge Pausen. Auch die fitesten konnten nicht schnell. Irgendwo auf 4200Meter gab es ein kleines Teehaus. Der Besitzer schleppte Wasser und alles jeden Morgen um 3Uhr allein dort hoch. Da kann man sich vorstellen, dass man einen stolzen Preis zahlen muss. Aber ich hatte kein Wasser mehr und musste meine Flasche fuer 3Euro mit braunem, abgekochten Wasser nachfuellen, das sehr geraeuchert schmeckte. Mir blieb keine Wahl. Und einen teuren Snickers goennte ich mir dort auf dem Rueckweg. Aber der bleibt mir in Erinnerung als der hoechste Snickers, den ich je gegessen habe. Bei jedem Huegel erhoffte man sich, das Ziel sei erreicht und wurde dann wieder enttaeuscht, man musste noch weiter. Die Berliner begegneten mir beim Teehaus. Sie waren schon um halb vier mit Stirnlampen gestartet und waren nun schon hungrig beim Abstieg. Als ich endlich am Ziel bei 4700m ankam, wartete die Hollaenderin mit Sonnencreme auf mich. Die Aussicht war einfach unbeschreiblich. Die anderen Hollaender schafften es auch kurz nach mir. Allerdings war die Tochter in keinem guten Zustand. Sie hatte die Hoehenkrankheit, trotz dass sie Tabletten genommen hatte. Da war ich ja froh, dass meine nie zum Einsatz kamen. Man wollte gar nicht mehr runter gehen. Aber die Uhr tickte, das Wasser wurde weniger und bei mir fingen die Kopfschmerzen an. Die Sonne brannte unertraeglich. Es war bewoelkt. Nur nutzte einem das recht wenig, wenn man ueber den Wolken unterwegs war. Ich spuerte, wie mein Gesicht erbarmungslos gebraten wurde. Mein Schal war die einzige Linderung. Ich wickelte ihn mir um den Kopf, sodass nur noch meine Augen zu sehen waren. Aber die Sonne brannte sich trotzdem durch. Und ich war ueber der Baumgrenze unterwegs. Also gab es fuer 2.5Std Abstieg keine Chance, dem Sonnenbrand zu entfliehen.