Ich war wieder im Tal und erholte mich von den Strapazen. Die Ueberlegung, noch eine Wanderung in der Everestregion zu machen, wurde wieder verworfen aufgrund von Zeitmangel, extremen, langanhaltenden Muskelkater, einem teuren Flug zu einem der gefaehrlichsten Flughaefen der Welt und Berichten von viel kaelteren Temperaturen und Schneefall. Also liess ich mein Gepaeck wieder im Hotel und fuhr mit dem Bus zum Begnas See. Nur 18km entfernt, aber wir brauchten 2 Stunden dort hin. Wieder wegen dem staendigen Ein- und Aussteigen alle paar Meter. Aber fuer umgerechnet 20Cent fuer die Strecke, wuerde ich mich nicht beschweren. Die Strasse war zu Ende, zu Fuss ging es noch 1.5Stunden weiter. Durch Doerfer und Waelder, mit toller Aussicht auf die zwei Seen. Mein Ziel war ein kleines verschlafenes Dorf am ruhigen Ufer an der Ostseite des Sees. Es gab ein paar Gasthaeuser, in denen man schon die Nepalesen schreien hoerte. Die wurden schonmal gleich vermieden. Ich wuerde behaupten Nepalies und Inder sind die schlimmsten Hotel-/Zimmernachbarn, die man sich vorstellen kann. Laut, dreckig, respektlos, ruecksichtslos, aber zumindest freundlich. Ich fand ein Gasthaus ein Stueck weiter unten, wo mich die Gastwirtin freundlich anlaechelte und die Kinder mir ein Namaste zuriefen. Ich bekam zwei Naechte fuer 3Euro und hatte ein Zimmer mit Bad. Ich war der einzige Gast, also wurde ich bemuttert, wo es nur ging. Sie bereitete mir ein sehr gutes Abendessen zu. Das Gemuese kam direkt aus ihrem Garten, alles bio. Und da es nicht mal eine Strasse gab und es dementsprechend nicht dick mit Staub bedeckt war, war ich optimistisch eingestellt. Fehler. So gut es auch geschmeckt hat, es war eine schlaflose Nacht fuer mich.
Deutlich angeschlagen bin ich dann den naechsten Tag nicht, wie geplant, um den See herum gewandert, sondern habe die Stille am See mit einem Buch genossen. Am Abend konnte ich den Gesaengen der Frauen vom Dorf lauschen. Die Schwester meiner Gastwirtin hatte 9Tage vorher ein Baby bekommen. Einen Jungen. Und das wurde ausgiebig gefeiert. Nur um das mal zu erwaehnen: auch wenn wir das Jahr 2017 schreiben, ist es in Nepal und Indien, aufgrund von schrecklicher Religion und Kastengesellschaft, noch weit verbreitet, dass Frauen als absolut minderwertig gelten. Wird ein Junge geboren, ist das gut. Das ist der Stammhalter, der die Eltern spaeter mal versorgt. Und dann ist auch die Mutter besser angesehen. Ein Mann darf seine Ehefrau ersetzen, wenn sie ihm 6 Maedchen gebaert. Ein Maedchen ist nutzlos, da sie spaetestens mit 12-14 Jahren verheiratet wird und dann den Schwiegereltern dienen muss. Fuer die Hochzeit muss allerdings eine Art Ausloese an die Familie des Braeutigams bezahlt werden, weshalb viele Familien sich verschulden muessen. Eigentlich ist das seit einigen Jahren gesetzlich verboten, aber gemacht wird es trotzdem noch haeufig. Eine Loesung dafuer ist auch heute noch, die Toechter zu verkaufen, bevor sie im Heiratsalter sind. Fuer ein paar Dollar werden sie an Indiens Rotlichtmilieu verkauft. Mindestens 12.000 nepalische Kinder jaehrlich. Und das sind nur Dunkelziffern. Eine andere Loesung ist Abtreibung. Gerade in heutiger Zeit, wo man das Geschlecht schon fruehzeitig erkennen kann, wird bei Maedchen oft sofort abgetrieben. Auch das wurde nun verboten. Bloedsinnigerweise. Denn das resultiert im Moment nur darin, dass die Abtreibungen illegal von geldgierigen Pfuschern durchgefuehrt werden. Oder von den Frauen selbst. Hat man dann doch ein Maedchen bekommen, gibt es weitere Moeglichkeiten. Jungs werden gestillt, bis sie vier Jahre alt sind. Maedchen nur 3-6Monate, damit die naechste Schwangerschaft kommen kann. Viele sterben schon, bevor sie das fuenfte Lebensjahr erreicht haben, da sie nicht genug ernaehrt werden und man sich auch nicht um die Gesundheit kuemmert. Nicht selten haben Frauen 8-15 Schwangerschaften. Und nur 3-5Kinder, die das 18. Lebensjahr erreichen. Eine Frau gewinnt erst an Ansehen, sobald sie verheiratet ist. Wenn sie dann eben noch einen Jungen gebaehrt, steigt das Ansehen nochmal. Und als Witwe ist man an der untersten Stufe. Frauen duerfen dann nicht nochmal heiraten und werden verstossen. Meist muessen sie als Sklavin weiterhin ihren Schwiegereltern dienen. Bildung ist auch heute noch vielen Maedchen verwehrt, groesstenteils auf dem Land. Im Hinduismus heisst es, Frauen seien von Natur aus zum Boesen geneigte Wesen. Als man sie erschuf, gab man ihnen die Liebe zum Bett und zum Sitzplatz, zum Schmuck, unreine Begierde, Zorn, Unehrlichkeit, Bosheit und schlechtes Benehmen. Und deshalb brauchen sie einem Mann, der sie unter Kontrolle haelt und beschuetzt. Es klingt so schwachsinnig fuer den normalen Menschenverstand, aber eine ganze Religion baut darauf auf. Natuerlich gibt es heute jede Menge Menschen, die aufgrund von staendig besser werdender Bildung mehr und mehr von diesem Unsinn abkommen, aber leider gibt es noch viel zu viele, die diese Menschenverachtende Religion mehr oder weniger praktizieren. Ein Beispiel der Moderne: ein nepalisches Paerchen, die beide schon laenger in Australien leben, hatte beschlossen zu heiraten, aus Liebe, im normalen Alter. Die Familien haben aber darauf bestanden, das traditionel geheiratet wird. Er Hindu, sie Buddhist, also gab es zwei Hochzeiten. Ich sah die Fotos eine Woche spaeter, die schoene Braut hat geweint, weil sie den Hinduteil fuer so schlimm und verachtend empfand. Die ganze Zeremonie war vollkommen niederdrueckend und deprimierend. Ich glaube, ich muss jetzt mal aufhoeren. Dieses Thema regt mich so sehr auf. Und waehrend ich hier im Moment in Indien sitze und den Blog schreibe, weiss ich, dass ich gegen Hindumaenner immer eine riesige Verachtung haben werde. Vielleicht bin ich auch zu feministisch eingestellt, aber dieses Denken ekelt mich einfach so an. Also fuer alle, die vielleicht Weihnachten wieder einmal nutzen wollen, um Geld zu spenden: Frauenhaeuser oder Fraueninitiativen in Indien und Nepal sind es wert, zu helfen.
Zurueck zum eigentlichen Blogthema: Nach zwei Naechten am Begnas See verabschiedete ich mich von der Gastwirtin und ihrer grossen Familie und lief wieder zurueck zur anderen Seite des Sees. Ich hatte wieder einen zotteligen Begleiter. Als er Pinkelpause machte, bog ich um eine Ecke und hatte einen grossen Affen vor mir sitzen, der sofort anfing zu schreien. Ich sah hilfesuchend zu meinem Hund, der gerade noch ausgiebig einen Baum beschnueffelte. Ich blieb stehen, wie eingefroren und hoffte darauf, dass er bald kommen wuerde. Der Affe schrie mich immer noch an, als er endlich um die Ecke kam. Sofort nahm er seine Chance war und jagte dem Affen hinterher, in den Wald hinein. Ich hatte meinen Begleiter verloren, aber zumindest hat er mir einen guten Dienst erwiesen.
Ich kam zurueck an die Bushaltestelle, hatte noch 40Minuten bis zur Abfahrt. Ich schlunzte noch ein wenig umher. Der schoene Bergsee haette auch irgendwo in den Alpen sein koennen. Waere da nicht all der Muell gewesen. Und der Smog, der die Sicht vesperrte. Und das konstante Hupen und Schreien der Strasse. Der Bus brachte mich zurueck nach Phokara. Diesmal in nur einer Stunde, da wir fuer die letzten 10km fast leer waren. Ich hatte meinem Hotelbesitzer gesagt, wann ich wieder komme, aber er hatte es vergessen. Das Hotel war voll, also brachte mich seine Frau zum Nachbarn. Das war ein 2Sterne Hotel, dass eigentlich 22Euro die Nacht gekostet haette, ich habe es fuer sieben bekommen. Und ich wurde noch zum Tee eingeladen, um mein Busticket zu buchen. Damit kam nun dann entgueltig mein letzter Abend in Phokara. Wenn auch Touristenhochburg, aber eine angenehme kleine Stadt mit vielen Moeglichkeiten.