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Nepal - Die Hauptstadt

Eine 10stuendige Busfahrt ueber Nepals schlechte und ueberfuellte Strassen brachte mich zurueck in die Hauptstadt. Jede Menge Unfaelle auf dem Weg dahin, machten einen dankbar dafuer, heil angekommen zu sein. Mit Maske gegen den dicken Smog ging es mit Sack und Pack durch Seitengassen nach Thamel. Ich fragte drei verschiedene Leute nach dem Weg zu meinem Hostel. Alle behaupteten es zu wissen, aber jeder schickte mich in eine falsche Richtung. Nach qualvollen 50Minuten hatte ich es endlich gefunden und checkte ein. In der Lobby sass eine aeltere Dame mit grauen Haaren, Hornbrille, zu kurzer Korthose und zu grosser Winterjacke. Ich sagte nur nebenbei Hallo und wollte schnellstmoeglich ins Zimmer. Oben angekommen unterhielt ich mich dann mit einer Franzoesin, als besagte Frau reingeschossen kam, tuerenknallend zu ihrem Bett stampfte und auf deutsch umherschimpfte. Als ich dann realisierte, dass sie mit mir schimpft, wusste ich gar nicht, wie mir geschiet. Ich haette gesagt, ich will sie umbringen. Sie hat das genau gehoert. Aber sie wird mich bekaempfen. Ich soll mich doch mal anschauen, ich sehe ja schon so aus. Waaaaas???? ich sagte ihr dann, sie scheint mich mit jemanden zu verwechseln, denn ich habe nur “Hello” zu ihr gesagt. Nein! Sie hat genau gehoert, wie ich in meinen Gedanken gesagt habe, ich will sie umbringen. Sogar mit ihrem Namen. Denn sie konnte meine Gedanken lesen. Ich solle ja aufpassen, ich Mistviech, denn sie wird mich bekaempfen. Und damit stuermte sie raus und runter in die Lobby, um die Geschichte dem Rezeptionisten zu erzaehlen. Auch wenn die Franzoesin nicht verstand, was gesagt wurde, sie war genauso sprachlos, wie ich. Sie erzaehlte mir, dass die Frau die ganze Woche kein Wort mit irgendjemand geredet hat. Sie sitzt nur den ganzen Tag in der Lobby und redet mit einem Bild. Ich hatte also keine Ahnung, warum sie gerade mich fuer eine solche Attacke aussuchte. Denn das Einzige, an was ich dachte, als ich rein kam, war eine Toilette und den schweren Rucksack. Aber sie machte mir mit der Aktion eine gehoerige Angst. Ich zitterte am ganzen Leib. Ich wollte mir nicht mit einer geisteskranken Deutschen das Zimmer teilen. Ich ging runter und fragte, ob ich ein anderes Zimmer bekommen konnte. Er war genauso entsetzt ueber die Situation und gab mir die Schluessel fuer ein Doppelzimmer zwei Etagen hoeher, fuer den selben Preis. Sie schrie mich weiter an, vonwegen, dass das auch besser so ist, ich solle lieber heim gehen, sie wird mich bekaempfen. Meine Guete! Selbst spaeter, als ich durch die Stadt lief, schaute ich staendig panisch umher, ob ich irgendwelche zotteligen grauen Haare sehe. So etwas ist mir auch noch nie passiert.

Aber ansonsten war das Hostel zum Glueck mit netten Leuten ausgestattet. Ein Schwede, der die Nase voll hatte von der Dunkelheit und nun schon 3 Monate die Sonne in Kathmandu geniesst und den ganzen Tag nur am Kiffen ist. Ein Italiener, der seit 2 Jahren in Nepal feststeckt, das Visum laengst abgelaufen, aber mit genug Drogen interessiert ihn das alles eh nicht. Er kam eigentlich, um eine Schule aufzubauen, aber irgendwie scheint das Projekt schief gegangen zu sein. Ein Kolumbianer mit seiner englischen Freundin, die mir viele Tipps ueber Indien geben konnten. Sie steckten seit 5Tagen fest, wollten mit dem Bus ueber die Grenze, aber die Busse wurden staendig wieder gecancelt, da aufgrund der Wahlen in Nepal ueberall Chaos herrscht. Zu dem Thema haengen geblieben: Kathmandu war damals teil des beruehmten Hippytrails. In den Hippy-Jahren war Kanabis noch legal und Kathmandu beruehmt fuer all seine Hanfshops. Nachdem es verboten wurde gab es einen Abbruch im Drogentourismus. Aber nur einen kleinen. Auch heute noch ist Nepal und Indien ein Aussteigerparadies, weil man so viel kiffen kann, wie man will, ohne schief angesehen zu werden. Die Preise sind wohl verhaeltnismaessig niedrig und man bekommt alles und ueberall angeboten. So ging es auch mir. Lief man zu dicht an einem Souvenirshop vorbei, hoerte man den Besitzer rufen “Weed, Magic Mushrooms, LSD,...”. Typen in der Fussgaengerzone, die einem Tigerbalm verkaufen wollten, schwenkten um in “weed”, sobald ich sie ignorierte. Selbst Jungs nicht aelter als 14 sprachen einen ganz ungeniert an, ob man Gras kaufen will. In jedem Hostel ist das Dachrestaurant voll mit Kiffern. In jeder Ecke der Stadt riecht es nach Gras. Ein Eldorado also fuer alle Hippies der heutigen Zeit.

An einem Tag beschloss ich, mir die Stadt ausserhalb der Touristenzone Thamel anzusehen. Nach nur wenigen Metern in dem absolut chaotischen Strassenverkehr beschloss ich, dass ich das doch nicht will. Ich lief zum Kaisergarten. Eine kleine Parkanlage mit Museum und Cafe, die dem Salzburger Mirabellpark nachempfunden war. Wunderschoen, aber eine grosse Ladung Heimweh plagte mich dadurch. Ich verbrachte einige Stunden dort, schlunzte umher, trank Kaffee, ass Apfelstrudel und las mein Buch. Auch wenn man den Smog und die Lautstaerke vom Verkehr noch hatte, war es mehr oder weniger ruhig. Zumindest ruhiger als draussen. Nur die laestigen Kerle mit ihren scheiss Selfies kamen wieder alle paar Minuten an. “Ma'am! Selfie!” Also fuer alle, die immer noch hoffen, dass ich mir irgendwann mal ein Smartphone zulegen werde: Niemals! Nach dieser Reise hasse ich die Dinger noch mehr! Auf dem Weg zurueck fand ich eine kleine Baeckerei namens “Weizen”. Ich hatte die Sache mit den deutschen Baeckereien eigentlich schon aufgegeben, aber dort sah ich Brezeln. Davon ernaehrte ich mich die naechsten Tag. Echte, authentische Laugenbrezeln. Yam yam yam!

Den Nachteil des Hostels hoerte man jeden Morgen um 4Uhr. Den Nachbarshund. Er war taub und startete jeden Morgen um die Zeit lautstark zu bellen. Konstant. Fuer ein bis zwei Stunden. Meine Guete haben die Anwohner (und der Besitzer) starke Nerven. Oder einen guten Schlaf. Aber mich weckte er jede Nacht auf und trieb mich in den Wahnsinn. Ok, und ein weiterer Nachteil war das Fruehstueck. Ein Spiegelei mit einer Scheibe Toast und einer Tasse Kaffee. Das war alles.

Dann wollte ich der Stadt ein bisschen entfliehen und machte mich auf den Weg durch das Chaos zur Bushaltestelle. Ein kleiner, absolut vollgequetschter Bus brachte mich in den Vorort Bhaktapur. Da ich in dem Chaos nicht herausfinden konnte, wo ich raus muss, fragte ich meine Sitznachbarin. Sie war mit ihrer Freundin und deren Freund unterwegs und wollte auch nach Bhaktapur zum Sightseeing. Sie machten mir deutlich, mit nur wenig Englisch, ich solle mit ihnen kommen. Als das erste Motorrad zu dicht an mir vorbeikam bekamen sie Panik und nahmen mich an die Hand. Und die liessen sie auch nicht mehr los. Ich wurde durch die halbe Stadt geschliffen. Zuerst ging es in eine kleine, versteckte Eisdiele. Ich muss sagen, das war durchaus mit italienischem Eis vergleichbar. Dann ging es von einem Tempel zum naechsten. Im Stechschritt. Und erstmal ging es vorbei am Eintrittspunkt. Als Tourist muss man 15Euro Eintritt bezahlen. Ich drehte mich um, der Soldat sah mich an, ich sah ihn an, aber meine Maedels schliffen mich weiter. “No entry! No entry! Come!”. Sie wollten meine Touristenfuehrer sein, aber bekamen nicht viel auf englisch raus. Und natuerlich nutzten sie das ganze, um tausende Selfies mit mir zu machen. Hier ist immer zu beachten, dass man nicht laecheln darf. Egal ob alle gerade lachen, sobald die Kamera auf einen gerichtet ist, gucken alle ganz ernst. Ihrem Freund war das Ganze sichtlich unangenehm, aber die Maedels fanden es toll, mich umherzuschleifen. Nachdem wir 500Selfies mit Schlangenstatuen gemacht haben, wollten sie mich in einen weiteren Tempel schleifen. Dort stand aber ganz klar, das nur Hindus rein duerfen und der Soldat sah mich schon so an. Ihr Freund hat das ganze durchschaut und hat sich bockig auf die Mauer gesetzt und das Diskutieren angefangen. Aber sie wollten mich dort rein bringen. Als sie ihre Schuhe schon auszogen nutzte ich die Chance. Ich wurde endlich nicht mehr festgehalten. Ich bedankte mich ganz herzlich und sagte, dass ich jetzt erstmal mein Hotel suchen will. Ganz ueberrascht haben sie getan, dass ich dort uebernachten will. Sie dachten, ich komme wieder mit ihnen nach Kathmandu. Ich weiss nicht, wie oft ich vorher schon gesagt und gezeigt hatte, dass ich mein Hotel finden will. Aber naja, sie haben es ja gut gemeint. War nur ein bisschen zu extrem fuer mich.

Ich ging erstmal zurueck zum Eingang und besorgte mir ein Ticket. Danach fand ich auch irgendwie mein Hotel und checkte ein. Ich bekam einen Willkommenstee und Infos von einem netten Rezeptionisten, der irgendwie 24Std & Tage die Woche allein dort zu arbeiten scheint. In aller Ruhe ging ich dann nochmal raus und suchte mir Abendessen. Allerdings war das gar nicht so einfach, da es irgendwie nur Dachterassen-Restaurants gab. Und das war mir eindeutig zu kalt. Irgendwann fand ich zumindest ein Cafe, dass Stuehle drinne hatte und auch Abendessen servierte. Im Dunkeln ging es dann zurueck. Und es war wirklich dunkel. Nur ein paar Feuer der Haendler, Lampen der Shops und Lichter der Motorraeder leuchteten den Weg. Man kam sich vor, wie im Mittelalter. Der Baustil, die Leute, die Dunkelheit,... hat alles zusammen gepasst.

Mir begegneten allein an dem Abend 3 Hochzeitsgesellschaften. Und viele folgten ueber die naechsten Tage. Und wenn es nicht die Musikkapellen der Hochzeiten waren, dann kamen die Musikkapellen des Wahlkampfes durch die Strassen gezogen. Und am Abend hoerte man ueberall um die Tempel die Glocken, Trommeln und Gesaenge der Maenner zum “Bhajan”. Es wurde nie ruhig. Irgendwann gegen halb zehn klopfte es an meiner Tuer. Leicht verwirrt fragte ich erstmal, wer da ist. Es war der Hoteljunge, der von Zimmer zu Zimmer ging, um heraus zu finden, ob all seine Gaeste da sind. Dann verschloss er Tuer und Tor zum Hotel. Es scheint eine gefaehrlichere Gegend zu sein.

Den naechsten Tag nutzte ich, nach dem Fruehstueck und dem Haare trocknen auf der Dachterasse, um die Stadt zu erkunden. In aller Ruhe. Tempel, Statuen, Palaeste, Tore, alles wunderschoen anzusehen mit all dem Gold und den feinen Holzschnitzereien. Allerdings war noch sehr viel teilweise oder komplett zerstoert. Das Erdbeben war im April 2015, zweieinhalb Jahre her. Und trotzdem sah es so aus, als waere es erst gestern passiert. Die Leute sassen am Strassenrand und putzten und stapelten die Backsteine der eingefallenen Gebaeude. Die Eintrittspreise fuer alle Sehenswuerdigkeiten sind nach dem Beben um das 3-4fache gestiegen, mit der Begruendung, dass man die Gegend wieder aufbauen will. Laut der Einheimischen geht das Geld allerdings lediglich in die Taschen der Politiker, was nicht schwer zu sehen war.

Ich schlenderte durch die engen Gassen, um verloren zu gehen. Ein bisschen erinnerte es mich an Venedig. Ueberall fand man etwas Schoenes zu sehen. Eingangstueren mit wundervollen Holzschnitzereien, goldene Statuen, kleine buntverzierte Tempel, Gottheiten und Hunde die mit blumengirlanden und roten punkten auf der Stirn verehrt wurden, Kinder die mit einem Knaeuel aus Seil und Schlaegern aus Pappe “Federball” spielten, Frauen in schoenen bunten Saris, Plaetze voll mit getoepferten Kruegen und anderen Kunsthandwerken. Man kam sich wirklich vor, wie im Mittelalter. Der Staat unterstuetzt auch die Bewohner, wenn sie in diesem alten Baustil ihre Haeuser errichten, um das historische zu erhalten. Es ist ausgeschrieben als Unesco Weltkulturerbe. Und soll wohl eine der zehn saubersten Staedte Asiens sein. Es gibt zwar tatsaechlich ueberall Muelleimer, sogar zwei verschiedene zum recyclen, aber der Muell ist trotzdem ueberall zu finden.

Am naechsten Nachmittag fuhr ich wieder zurueck in die Hauptstadt. Ich hatte naemlich mein Buch schon laengst fertig und meinen Laptop nicht mit, also wurde mir dann tatsaechlich ein bisschen langweilig. Die eigentlich geplante Wanderung zu einem Aussichtpunkt musste ich ausfallen lassen, da ich Probleme mit meinem Fuss hatte, der die letzten Tage schon nach wenigen Metern hoellisch schmerzte. In Thamel goennte ich mir ausnahmsweise mal Souveniers. Einen Hanfrucksack, typisch fuer Nepal. Den tauschte ich fuer meinen Wanderrucksack, der zum Reisen eh laestig wurde. Ich verkaufte noch ein paar meiner Trekkingsachen, um unnuetzes Gepaeck loszuwerden. Aber die schweren Wanderschuhe und die teure deutsche Softshelljacke schleppe ich nun trotzdem sinnlos durch das warme Indien.

Meine Zeit in Nepal neigte sich dem Ende. Ein Monat war viel zu schnell rum. Auch mit ein paar Startschwierigkeiten und immernoch einigen Dingen, die ich dort nicht mag... Nepal wird mich wiedersehen. Ein empfehlenswertes Reiseziel mit tausend Moeglichkeiten.

Ein Taxi wartete am letzten Morgen um fuenf Uhr auf mich und fuhr zum Flughafen. Die warmen Klamotten waren weggepackt, zu meiner Ueberraschung mussten wir allerdings eine knappe Stunde vorm Flughafen warten, in eisiger Kaelte. Denn dieser Flughafen hatte Oeffnungszeiten. Aber alles ging dann noch rechtzeitig. Nur eben das man sofort vom Check-In zur Sicherheitskontrolle und in den Flieger rennen musste, da alles so knapp bemessen war. Und dann machte ich den bloedesten Fehler ueberhaupt: ich hatte im Internet meinen Sitz ausgewaehlt. Natuerlich wollte ich am Fenster sitzen und ich machte mir weiss, die Berge sind links, wenn ich Richtung Delhi fliege. Falsch gedacht! Die Wahnsinnsaussicht auf schneebedeckte 8000er bei Sonnenaufgang war auf der rechten Seite. Doof!

 

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